Artikel im Heft widmen sich dem jeweiligen Schwerpunkt sowie weiteren Themen. Von aktuellen Ausgaben stellen wir gewöhnlich drei ausgewählte Artikel sofort online.
Wegen der Erfassung und Kategorisierung politisch motivierter Straftaten (PMK) stand die PMK-Statistik zuletzt mehrfach in der Kritik. Doch wie haben es politische Kampfbegriffe in die polizeiliche Statistik geschafft? Schwerpunkte des Artikels sind das Definitionssystem des Bundeskriminalamtes (BKA), die Haltung des Bundesinnenministeriums (BMI) und die Kategorien Männer- und Deutschfeindlichkeit sowie der immer weiter wachsendende Phänomenbereich „nicht zuzuordnen“, worunter zahlreiche „Reichsbürger“-Straftaten erfasst werden. Wir fordern eine Überarbeitung der Erfassungspraktiken und eine stärkere Einbindung externer Akteur*innen, um die Statistik zu verbessern und politischen Missbrauch zu verhindern.
Am 9. Mai 2023 stellten Bundesinnenminsterin Nancy Faeser und BKA-Präsident Holger Münch die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität für das Jahr 2022 vor. Viele der Zahlen bewegen sich auf einem Höchststand. Rechte Gewalttaten stiegen um 12 %, Gewalt gegen Geflüchtete nahm wieder stark zu, und Straftaten von „Reichsbürgern“ stiegen gar um 40 %; ebenso die Gewalt aus antisemitischen Motiven.[1]Kontroverse Statistik: PMK-Erfassung auf dem Prüfstand weiterlesen →
Die historischen Verflechtungen zwischen Kolonialismus, unternehmerischen Interessen und Polizeiarbeit spiegeln sich in der Art und Weise, in der Europa Migration aus Westafrika kontrollieren will. In diesem Beitrag betrachten wir zunächst die Rolle von Public-Private-Partnerships und Überwachung während und nach der französischen Kolonialisierung und untersuchen mit Civipol ein französisches Unternehmen, das sich auf den Kapazitätsaufbau der Inneren Sicherheit afrikanischer Staaten spezialisiert und im Besitz des französischen Staates und bedeutender französischer Sicherheitsunternehmen ist.
Während unserer Forschungsaufenthalte zwischen 2017 und 2019 in mehreren westafrikanischen Ländern sind wir häufig auf eine semiprivate französische Agentur gestoßen: Civipol. Wir beide haben zu Migrations- und Sicherheitspolitik in mehreren westafrikanischen Ländern geforscht. Stambøl im Senegal, in Mali und dem Niger, hauptsächlich in 2017 und 2018, und Jegen 2018 und 2019 im Senegal, Ghana und dem Niger. Die Einblicke aus unserem Forschungsreisen haben wir durch Nachforschungen in Dokumenten, Web-Inhalten und historischen Sekundärquellen ergänzt. Der vorliegende Text basiert auf dem von uns verfassten Kapitel in dem Sammelband „Postcoloniality and Forced Migration.“[1] Unser Ziel ist es, kommodifizierte Kontrolle von Mobilität in Westafrika durch die Europäische Union (EU) und Frankreich historisch zu kontextualisieren. Koloniale Kontinuitäten des Polizierens: Die französische Civipol in Westafrika weiterlesen →
von Verena Schreiber, Dana Ghafoor-Zadeh und Antonia Appel
Kindheit vollzieht sich in einem ambivalenten Verhältnis von Schutz, Aktivierung und (Selbst-)Kontrolle. Als zentrale Adressat*innen zukunftsgerichteter Diskurse und Praktiken, die Sicherheit, Beteiligung und ein besseres Leben versprechen, kommt jungen Menschen in gegenwärtigen Entwicklungen eine bedeutende Rolle zu. Doch die Versprechungen kommen nicht ohne Einschränkungen und Erwartungen. Anhand aktueller Entwicklungen in der Stadt und im Feld der Digitalisierung diskutieren wir, wie subtile Kontrollformen und die zunehmende Datensammlung die Freiheiten junger Menschen weiter einschränken.
In kaum einer Phase unseres Lebens sind wir von anderen Personen, materiellen Zuwendungen und gesellschaftlichen Erwartungen derart abhängig wie in unserer Kindheit. Für junge Menschen entscheiden in der Regel Erwachsene, wo sie leben dürfen, was sie lernen sollen und was sie besitzen dürfen. Wenn Kinder tatsächlich mal – in ihren Familien, im Schulalltag oder in städtischen Planungsprozessen – in Entscheidungen eingebunden werden, geschieht dies auf Wunsch und nach den Regeln älterer Generationen. Was Kindheit ist, lässt sich also nicht „vom Kinde aus“, sondern immer nur relational – als Position in einem wirkmächtigen generationalen Verhältnis – verstehen. Überwachte Kindheiten: Zwischen Schutz, Aktivierung und (Selbst-)Kontrolle weiterlesen →
Das seit Jahren wachsende private Sicherheitsgewerbe profitiert von den Krisen der Gegenwart, kämpft aber auch mit hohem Kostendruck, Personalmangel und einem schlechten Ruf. Fälle von Machtmissbrauch, Misshandlungen oder die Beschäftigung von Neonazis haben bereits zu Reformen des Gewerberechts geführt. Nun hat das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf zur Neuregelung vorgelegt. Die Reform zielt auf eine bessere Qualifizierung und stärkere Kontrolle des Gewerbes, lässt aber grundlegende Fragen offen.
Das private Sicherheitsgewerbe boomt seit Jahren. Der Gesamtumsatz der Branche liegt inzwischen bei elf Mrd. Euro, die Zahl der Beschäftigten bei 270.000 Mitarbeiter*innen und die Anzahl registrierter Sicherheitsunternehmen bei knapp 6.000.[1] Auch das Spektrum angebotener Dienstleistungen hat sich erweitert. Das Wachstum der Sicherheitswirtschaft innerhalb der letzten drei Jahrzehnte hat mehrere Ursachen. Da ist zum einem die Privatisierungspolitik der 1990er Jahre und der damit verbundene teilweise Rückzug des Staates aus bestimmten Bereichen der Daseinsvorsorge bzw. die Beschränkung auf die letztinstanzliche Gewährleistungspflicht, so auch im Bereich von Sicherheitsdienstleistungen. Dies hat einen neuen Markt konkurrierender privater Sicherheitsdienstleistungen entstehen lassen. Dieser bedient nicht nur den Bedarf privater Auftraggeber vor allem aus der Industrie, wie es schon seit vielen Jahrzehnten der Fall ist, sondern hat in zunehmendem Maß auch den öffentlichen Sektor als Kund*innen. Neben dem klassischen Objekt- und Personenschutz sowie Geld- und Werttransporten sind viele neue Tätigkeiten hinzugekommen, wie beispielsweise Passagierkontrollen auf Flughäfen, der Schutz von Wohnheimen für Geflüchtete, Kontrolltätigkeiten im öffentlichen Nahverkehr und durch kommunal beauftragte City-Streifen sowie der Schutz von Großveranstaltungen. Dazu kommt, dass Sicherheitstechnologien in Verbindung mit herkömmlichen Personaldienstleistungen eine wachsende Rolle im Dienstleistungsangebot der Firmen spielen. Entwicklungen im Sicherheitsgewerbe: Kommt ein Stammgesetz für die Branche? weiterlesen →
Die steigenden Mietmärkte in Großstädten und ihre zentrale Rolle für die Produktion von kapitalistischem Mehrwert lässt erneut eine florierende Praxis von Entmietungsstrategien entstehen. Um die maximale Rendite aus Immobilien zu erwirtschaften, greifen Vermieter*innen auch massenhaft auf Zwangsräumungen zurück, die neben anderen Verdrängungstaktiken seit jeher die Gentrifizierung von Städten vorantreiben. Vor allem seit der globalen Finanzkrise formiert sich vermehrt Protest gegen die gewaltvolle Verdrängung von zahlungsunfähig gemachten und sozial marginalisierten Menschen. Mit dem Aufkommen kollektiver Räumungsblockaden und solidarischer Praxen tritt auch eine politische Akteurin verstärkt in Erscheinung, deren Rolle in der Re-Segregation der Städte oftmals unterbelichtet bleibt – die Polizei und ihre Partner aus dem Sicherheitsgewerbe. [1]
Dank kritischer Forschung wissen wir schon lange, dass Straf- und Kontrollinstitutionen im Kapitalismus nicht nur historisch instrumentell waren zur Befriedung von armen und rassifizierten Bevölkerungsgruppen und zur Erwirtschaftung maximaler Kapitalerträge.[2] Ihr Einsatz von zunehmend militarisierten und expansiven Polizeimodellen im Zuge neoliberaler Austeritätspolitik und ihr mit der Politik abgestimmtes Vordringen in sozialpolitische Aufgabengebiete, wurden auch mehrfach als entscheidende Faktoren in der Gentrifizierung von Städten und der Unterdrückung von sozialer Marginalisierung und Dissens dokumentiert.[3] Während Forscher*innen diese Zusammenhänge vor allem im Kontext polizeilicher Räumungen von sichtbar mittelosen Menschen im öffentlichen Stadtraum offenlegten,[4] bleiben die Konsequenzen einer solcher Sicherheitspolitik für Menschen, die noch über Wohnraum verfügen und daraus massenhaft zwangsgeräumt werden weitestgehend unterbelichtet. Und das, obwohl hier vorrangig soziale Gruppen betroffen sind, die nach wie vor im Zentrum polizeilicher Arbeit stehen: arme, rassifizierte und sozial ausgrenzte Menschen und solche, die sich dem Status quo widersetzen. Mittendrin und nicht abseits: Sicherheitsbehörden und die Gentrifizierung von Städten weiterlesen →
Die Rolle der Polizei im Kapitalismus ist sowohl durch Kontinuitäten als auch durch Wandel gekennzeichnet. Einerseits ist sie immer und überall die Institution, die die kapitalistische Ordnung mit Gewalt durchsetzt und dabei stets Arme und „Fremde“ besonders in den Fokus nimmt. Andererseits verändern sich Art, Ausmaß und Begründungen der Polizeiarbeit in Abhängigkeit vom Arbeitskräftebedarf. Unter anderem weil dieser hierzulande aktuell zum Problem zu werden droht, wird in Öffentlichkeit und Politik um die Rolle der Polizei gerungen.
Was als unnormal und kriminell gilt, verweist darauf, was als normal gelten soll. Vorstellungen von Normalität sind das Resultat gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, in denen mächtige Gruppen ihre Interessen besser durchsetzen können als subalterne. Deshalb wandeln sich solche Vorstellungen mit der Zeit und unterscheiden sich zwischen Räumen je nach Fortgang und Zwischenstand der Auseinandersetzungen. Im Kapitalismus sind Inhalte und Formen der Auseinandersetzungen in spezifischer Weise vorstrukturiert. Als Resultat vorangegangener Auseinandersetzungen gelten Umgangsformen, Normen und Regeln sowie grundlegende Strukturen den allermeisten Menschen als selbstverständlich und normal: Konflikte in der Gesellschaft werden ohne Gewalt geregelt; im Zweifelsfall kommen Gesetze zur Anwendung. Um diese durchzusetzen dürfen nur staatliche Institutionen, v. a. die Polizei, Gewalt anwenden; klar getrennt davon hält das Militär Gewaltmittel zur Abschreckung nach außen vor. Auch dass es andauernd Abweichungen von dieser Normalität gibt, dass etwa Gewalt auch im gesellschaftlichen Alltag, in Familien, auf Schulhöfen und im Intimen präsent ist (wenn auch weniger als noch vor einigen Jahrzehnten) und das Militär auch mal eingesetzt wird (wenn auch fast nur anderswo), gilt seinerseits als normal. Wenn im Kapitalismus in diesen vorstrukturierten Bahnen explizit darum gerungen wird, was als normal und was als Abweichung oder Kriminalität gelten soll, dann können diese Auseinandersetzungen als Hinweis darauf gelten, dass sich an den gesellschaftlichen Verhältnissen selbst etwas ändert. Kapitalismus und Polizei: Kontinuitäten und (aktueller) Wandel weiterlesen →
Kapitalismus war lange Zeit out. Seit Finanzkrise und Pandemie widmen sich soziale Bewegungen mit unterschiedlichen Verhältnissen zum repressiven Staatsapparat sowie die Kritische Kriminologie, in der abolitionistische Traditionen aufleben, verstärkt der kapitalistischen Vergesellschaftung. Der Beitrag umreißt, welche Fragen gestellt und künftig bearbeitet werden sollten.
Kontrolle im Kapitalismus zu betrachten, ist seit jeher das Metier der marxistisch inspirierten Kritischen Kriminologie. Schon die sogenannten „Neuen Sozialen Bewegungen“ und parallele Theorieentwicklungen seit den späten 1960er Jahren rückten bekanntermaßen Herrschaftsverhältnisse jenseits des Widerspruchs von Kapital und Arbeit verstärkt in den Blick. In Fortentwicklung und zugleich Kritik der Kritischen Kriminologie entstand etwa eine feministische Kriminologie, die Themen wie Abtreibung, Sexarbeit oder Vergewaltigung in den Blick nahm. Seit den 1990er Jahren sorgte die Verbreitung poststrukturalistischer Ansätze in der Wissenschaft und den sozialen Bewegungen für einen Perspektivwechsel. Kriminolog*innen und Aktivist*innen problematisierten nicht mehr „nur“ materielle Gegebenheiten wie die kapitalismusstabilisierende Wirkung des Strafjustizsystems, die ideologischen Hintergründe und materiellen Effekte einer geschlechtsblinden Klassenjustiz oder die „Definitionsmacht“[1] einer Polizei, die als strukturkonservative Institution oft auf der Basis traditioneller Vorstellungen von z. B. Frauen oder Migrant*innen agiert. Vielmehr wurden die Kategorien selbst grundlegend hinterfragt und das Verständnis von Macht erweitert. Bereits in den 1960er und 70er Jahren hatte der „labeling approach“[2] in der Kriminologie deutlich gemacht, dass Kriminalität schlicht das ist, was die Gesellschaft als solche versteht. Nun setzte sich die Erkenntnis durch, dass auch „Frau“ oder „Schwarzer“ keine natürlichen Tatsachen sind, sondern gesellschaftlich hervorgebracht werden – wobei die Subjekte nicht nur durch staatliche Ver- und Gebote sowie Ideologie reguliert werden, sondern durch die machtvollen Anrufungen auch hervorgebracht und tagtäglich in die Machtverhältnisse verwickelt sind, wie es Foucault und Autor*innen der Gouvernementalitätsstudien betonten.[3]Kontrolle im Kapitalismus: Eine intersektionale Perspektive weiterlesen →
Der verbrecherische Angriff der Hamas auf Israel hat auch in Deutschland zu heftigen Reaktionen geführt. Die Politik hat die Unterstützung Israels zur Staatsräson erklärt. Dennoch wird auch für die Unterstützung der Palästinenser*innen demonstriert. Versammlungsbehörden und Polizei schritten hiergegen im Oktober 2023 in breitem Umfang ein. Totalverbote von Versammlungen waren in Berlin-Neukölln, wo viele Menschen mit palästinensischem oder arabischem Hintergrund leben, über viele Tage die Regel. Dies wird nachfolgend aus ethnographischer und rechtlicher Sicht näher betrachtet. Ist dieses staatliche Vorgehen mit der Versammlungsfreiheit vereinbar, und war die überzogene und rechtlich fragwürdige staatliche Reaktion nicht gerade Anlass für zum Teil gewalttätige Auseinandersetzungen?
Seit dem schrecklichen Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gehen die Wogen international wie auch in Deutschland zu dem Thema hoch. Jüdinnen und Juden in Deutschland äußern ihre nur zu berechtigte Besorgnis und Angst vor Übergriffen auch in Deutschland. Dass sie diese Sorge haben müssen, ist bedenklich und real, nicht erst seit dem 7. Oktober. Eine palästinensische Sicht jenseits der Berichte über die Hamas ist hingegen kaum wahrnehmbar oder gar auf der Straße sichtbar zu machen, ohne in Konflikte mit dem deutschen Staat zu geraten. Pro-Palästina Demos nicht erlaubt? Ethnographische und rechtliche Anmerkungen weiterlesen →
Seit 2007 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 840 Millionen Euro für das Rahmenprogramm „Forschung für die zivile Sicherheit“ ausgegeben. Eine exemplarische Auswertung des Programms zeigt, dass die Polizei in rund einem Drittel der geförderten Projekte präsent ist. Polizeiliche Einrichtungen in Bund und Ländern sind in unterschiedlicher Intensität an Forschungen beteiligt. Dabei liegt der Schwerpunkt in Vorhaben, die den technischen, insbesondere informationstechnischen Fortschritt für die Polizeiarbeit nutzbar machen wollen. Im Zusammenwirken in der Forschung ist ein Geflecht aus Wissenschaft, Polizei und Privatwirtschaft entstanden, das Sicherheit als technokratisch herstellbaren Zustand begreift.
Die öffentliche Forschungsförderung ist aus zwei Gründen von Interesse. Erstens verspricht sie Hinweise darauf, in welchen Bereichen, mit welchen Strategien und Methoden der wissenschaftliche Fortschritt für die innere Sicherheit nutzbar gemacht werden soll. Zweitens erlaubt die Forschungsförderung einen Blick in die Zukunft. Denn zu erwarten ist, dass ein Teil dessen, was heute erforscht wird, bald in der Praxis Anwendung findet. Das gilt insbesondere, seit die Logik der öffentlichen Förderung darin besteht, dass sie „anwendungsorientiert“ angelegt sein soll, was in den meisten Förderrichtlinien dadurch sichergestellt wird, dass die späteren „Anwender“ an den Forschungsvorhaben zu beteiligen sind. Allerdings wird die Hoffnung, über die Forschung in die Zukunft blicken zu können, mehrfach getrübt. Einerseits wird vieles erforscht, das nie Praxisrelevanz erlangen wird. Andererseits werden Innovationen ohne Forschungsförderung von Firmen oder Behörden entwickelt, oder sie werden aus dem Ausland importiert. Die Polizei in der Forschungsförderung: Polizei im Kontext der „zivilen Sicherheitsforschung“ weiterlesen →
Laut dem Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit gelten Demonstrationen als der gefährlichste Arbeitsplatz für Medienschaffende – 80 Prozent der Angriffe auf Journalist*innen ereignen sich dort, 60 Prozent davon auf Versammlungen mit Bezug zu Corona, besonders häufig in Sachsen.[2] Die Angriffe stehen im Kontext einer Radikalisierung in der Abneigung von Presse sowie einer Normalisierung pressefeindlicher Erzählungen in der breiten Gesellschaft. Zum Schutz werden Medienschaffende bei ihrer Arbeit zunehmend durch Sicherheitspersonal begleitet. Im Interview mit Stephanie Schmidt berichtet die ehrenamtliche Begleitschutzinitiative Between the Lines von ihrer Arbeit und ihren Erfahrungen mit Angriffen auf Journalist*innen.[1]
Ihr seid eine Initiative, die seit 2021 Journalist*innen auf Demonstrationen – vor allem im Sachsen – begleiten, um den dortigen Schutz der Medienschaffenden zu gewährleisten. Wie kam es zur Gründung von Between the Lines?
Wir wurden in einem Bekanntenkreis darauf aufmerksam, dass Angriffe auf Pressevertreter*innen sich verstetigen. Konkret: Diese Entwicklung wurde von rechtsgerichteten, verschwörungsideologischen und meist coronamaßnahmenbezogenen Versammlungen angetrieben und fand lange fast exklusiv dort statt. Auch die Intensität und der Personenkreis, aus dem heraus Angriffe stattfanden, erweiterten sich. Wo vorher eher Männer bis 40 übergriffig wurden und mal in eine Kamera griffen oder Pressevertreter*innen beleidigten, nahmen wir immer öfter auch Angriffe wahr, die Verletzungen in Kauf nahmen. Ältere Frauen rammten mit Wucht Fahrräder in Reporter*innen. Eine Entsolidarisierung mit Angreifenden auf Versammlungen fand nicht mehr statt. Begleitschutz für Journalist*innen: Wenn Pressearbeit ohne Schutz nicht möglich ist weiterlesen →
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