Schlagwort-Archive: Todesschüsse

Polizeiliche Todesschüsse 2017: Erneut Ungereimtheiten bei der offiziellen Zählung

von Otto Diederichs

16 Menschen starben im vergangenen Jahr aufgrund polizeilichen Schusswaffeneinsatzes. Das ist die höchste Zahl polizeilicher Todesschüsse seit 1999.

Gemäß der Schusswaffengebrauchsstatistik, die die Deutsche Hochschule für Polizei (DHPol) im Auftrag der Innenministerkonferenz erstellt, haben deutsche PolizistInnen 2017 insgesamt 13.513 Mal im Einsatz geschossen (2016: 12.750).[1] Der Großteil der Schüsse erfolgte wie üblich zum „Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere“ (2017: 13.400; 2016: 12.656). Ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr zeigt sich jedoch insbesondere bei den Schüssen auf Personen (2017: 75; 2016: 52) und – wenn auch weniger deutlich – bei den Schüssen auf Sachen, worunter auch der Einsatz gegen Fluchtfahrzeuge gerechnet wird (2017: 17; 2016: 15).[2] Polizeiliche Todesschüsse 2017: Erneut Ungereimtheiten bei der offiziellen Zählung weiterlesen

Erlaubnis zum Töten? Schusswaffengebrauch und polizeiliches Schießtraining

von Oesten Baller

Von 1990 bis Ende 2017 starben in Deutschland 276 Personen durch polizeilichen Schusswaffengebrauch. Häufig waren die Opfer psychisch krank oder auffällig, vielfach hatten sie ein Messer in der Hand. Eine Rechtfertigung über das Polizeirecht ist zur Ausnahme geworden, fast immer wird der tödliche Schusswaffengebrauch mit Notwehr gerechtfertigt.

Die tödlichen Schüsse im Neptunbrunnen am 28. Juni 2013 lösten viele Diskussionen aus. Ein offensichtlich geistig verwirrter junger Mann hatte sich entkleidet und hielt ein Messer in der Hand, worauf er von einem ebenfalls in den Brunnen gestiegenen Polizeibeamten erschossen wurde. Dieses Ereignis setzte zunächst einen tragischen Schlusspunkt zu zwei vergleichbaren Ereignissen der Vorjahre. Am 6. Oktober 2012 wurde ein ebenfalls geistig verwirrter 50-jähriger Mann, der mit einer Axt und zwei Messern bewaffnet durch eine Straße in Berlin-Wedding rannte, in einem Gewaltexzess der polizeilichen Einsatzkräfte durch Schüsse, einen Diensthund und einen massiven Einsatz von Pfefferspray so schwer verletzt, dass er kurz darauf verstarb.[1] Erlaubnis zum Töten? Schusswaffengebrauch und polizeiliches Schießtraining weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2016: Berliner Lücken – „statistisch als offen bewertet“

von Otto Diederichs

Wie bereits im Vorjahr ist auch 2016 die Zahl der Schusswaffeneinsätze gegen Personen und Sachen gestiegen. Davon endeten 13 Fälle tödlich.

Laut der offiziellen Schusswaffengebrauchsstatistik, die die Deutsche Hochschule für Polizei (DHPol) alljährlich im Auftrag der Innenministerkonferenz (IMK) auf der Basis der von den Ländern gemeldeten Zahlen zusammenstellt, kam es 2016 in insgesamt 52 Fällen zum Schusswaffengebrauch gegen Personen (2015: 41). Hinzu kamen 28 Fälle des Schusswaffeneinsatzes gegen Sachen (2015: 17), wobei es sich hier nicht selten um Schüsse auf Fahrzeuge – und somit indirekt auch auf Personen – handelt. Schüsse zur „Fluchtvereitelung bei Verdacht eines Verbrechens oder eines ‚gleichgestellten Vergehens‘“ bildeten mit 16 Fällen den Großteil des Schusswaffengebrauchs gegen Sachen.[1] Polizeiliche Todesschüsse 2016: Berliner Lücken – „statistisch als offen bewertet“ weiterlesen

Polizeischüsse in Europa: Versuch eines Vergleichs

von Otto Diederichs

Wer das staatliche Gewaltmonopol preist, der legitimiert auch die staatliche Gewaltanwendung. Das Töten von Menschen im Polizeidienst stellt die extremste Form dieser Gewaltanwendung dar. Demokratien unterscheiden sich erheblich darin, wie häufig PolizistInnen töten und wie die Staaten damit umgehen.

Dass bei US-amerikanischen PolizistInnen die Waffen recht locker sitzen, ist kein Geheimnis. Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, weshalb es an einer systematischen Erfassung des polizeilichen Schusswaffengebrauchs fehlt und man auf Pressemeldungen zurückgreifen muss. Nach einer Erhebung der Washington Post töteten US-PolizistIn­nen 2015 bereits in den ersten fünf Monaten 385 Menschen.  Im gesamten Jahr sollen es 1.172 gewesen sein.[1] Für das erste Dreivierteljahr 2016 wird eine Zahl von 706 angegeben.[2]

Eine kleine Erhebung[3] für die Jahre 2014 bis 2016 zeigt, dass die europäischen Polizeien – trotz deutlicher nationaler Unterschiede – an solch hohe Zahlen nicht herankommen. Polizeischüsse in Europa: Versuch eines Vergleichs weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2015: Überwiegend psychisch Erkrankte betroffen

von Otto Diederichs

Für 2015 verzeichnet die von der Deutschen Hochschule für Polizei (DHPol) erstellte Schusswaffengebrauchsstatistik insgesamt zehn Fälle mit tödlichem Ausgang, drei mehr als im Vorjahr.[1]

Statt wie üblich im Mai oder Juni ist die von der DHPol im Auftrag der Innenministerkonferenz erstellte Statistik dieses Mal erst Mitte September erschienen. Polizeiliche Todesschüsse 2015: Überwiegend psychisch Erkrankte betroffen weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2014: Offizielle Statistik und unabhängige Dokumentation

von Otto Diederichs

Die von der Deutschen Hochschule für Polizei (DHPol) im Auftrag der Innenministerkonferenz (IMK) erstellte Statistik verzeichnet für 2014 sieben Fälle tödlichen Schusswaffengebrauchs durch PolizeibeamtInnen.

Die Fertigstellung der Schusswaffengebrauchsstatistik verzögerte sich 2015 um rund zwei Monate, was laut einem IMK-Sprecher „personellen Engpässen“ geschuldet war. Üblicherweise liefern die Länderinnenministerien ihre Zahlen im Laufe des ersten Quartals an die DHPol, die sie zusammenfasst und Ende April/Anfang Mai der IMK übersendet. Die Statistik 2014 erreichte die IMK jedoch erst im Juli 2015.[1] Polizeiliche Todesschüsse 2014: Offizielle Statistik und unabhängige Dokumentation weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2013: Psychische Erkrankung als Risiko

von Otto Diederichs

Insgesamt 38-mal haben PolizeibeamtInnen im letzten Jahr auf Personen geschossen. Acht Menschen wurden dabei getötet, 20 verletzt. Dies geht aus der Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz (IMK) hervor, die der CILIP-Redaktion vorliegt.[1]

Damit liegt der polizeiliche Schusswaffengebrauch in etwa auf dem gleichen Niveau wie in den Vorjahren (2012: 35 Schüsse auf Menschen – 8 durch Polizeischüsse getötete – 19 Verletzte; 2011: 31-6-15; 2010: 26-7-17). Als CILIP vor rund 40 Jahren mit der Auswertung der IMK-Statistiken begann, lagen die Zahlen noch erheblich höher (1976: 141-8-3; 1977: 160-17-80; 1978: 111-7-65).[2] Im Jahrzehnt zwischen 1979 und 1987 wurden 122 Menschen von PolizistInnen erschossen, im darauffolgenden Jahrzehnt waren es 118, und in den Jahren von 2004 bis 2013 zählten wir 79 Tote infolge polizeilichen Schusswaffeneinsatzes. Polizeiliche Todesschüsse 2013: Psychische Erkrankung als Risiko weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2012

von Otto Diederichs

PolizistInnen haben im vergangenen Jahr 36 mal auf Personen geschossen. Acht Menschen wurden dabei getötet und zwanzig verletzt. Dies geht aus der Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz hervor, die der Redaktion vorliegt.[1]

Die Zahl der Schüsse auf Personen liegt damit exakt gleich hoch wie 2011, die der Opfer hat sich leicht erhöht (2011: 6 Tote, 15 Verletzte). Zwei Schüsse auf Menschen werden offiziell als „unzulässig“ qualifiziert.

Wie die Statistik weiter zeigt, gaben PolizistInnen im Jahre 2012 insgesamt 10.353 Schüsse (2011: 8.936) ab. Zugenommen hat dabei jedoch lediglich der Schusswaffengebrauch zur Tötung gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere. Nahezu gleich geblieben ist dagegen die Zahl der Warnschüsse (2012: 54; 2011: 49). Polizeiliche Todesschüsse 2012 weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2011: Richtige und falsche Kommentare zur Statistik

von Otto Diederichs

Insgesamt 36-mal haben im vergangenen Jahr Polizisten auf Personen geschossen. Sechs Menschen wurden dabei getötet und weitere 15 verletzt. Dies geht aus der jährlichen Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz (IMK) hervor.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), derzeit IMK-Vorsitzender, ließ die Statistik umgehend veröffentlichen,[1] nachdem die CILIP-Redaktion Anfang Mai nachgefragt hatte. Das ist ungewöhnlich; in den zurückliegenden Jahren war hierzu meist mehrfache Drängelei und gelegentlich bei der Recherche auch erst einmal ein Umweg notwendig. Polizeiliche Todesschüsse 2011: Richtige und falsche Kommentare zur Statistik weiterlesen

GewaltPolizeiGewalt – Wandlungen im Kern staatlicher Gewaltpraxis

Ohne Gewalt kein Gewaltmonopol. Ohne Gewalt kein Staat. Kein Staat ohne Polizei. Unauflöslich ist die Verbindung zwischen dem neuzeitlichen Staat und seiner Fähigkeit, seinen Willen gegen die Untertanen/BürgerInnen durchzusetzen. An diesem Umstand hat die Parlamentarisierung des politischen Systems nichts geändert: Dem demokratisch-parlamentarisch beschlossenen Gesetz ist Geltung zu verschaffen – im Ernstfall mit Gewalt, mit der Polizei.

Die Polizei, deren institutioneller Zweck darin besteht, die herrschende Ordnung im Innern notfalls mit Gewalt aufrecht zu erhalten, steht keineswegs allein. Je nach Perspektive steht sie an der Spitze oder an der Basis des staatlichen Herrschaftsanspruchs. Sie verfügt über das Personal, die Fähigkeiten, die Ausrüstungen, die Aufgabe und die Befugnisse „Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ abzuwehren. GewaltPolizeiGewalt – Wandlungen im Kern staatlicher Gewaltpraxis weiterlesen