Archiv der Kategorie: CILIP 120

Der Zoll – Nicht nur eine Finanzpolizei (November 2019)

In Gedenken an Wolf-Dieter Narr

Wolf-Dieter Narr ist am 12. Oktober 2019 nach langer Krankheit gestorben. Als Professor an der Freien Universität Berlin war er unser Lehrer und Mentor. Er stand hinter der Forschungsgruppe, die sich seit Mitte der 70er Jahre mit den nach innen gerichteten Teilen des staatlichen Gewaltmonopols befasste. Ohne ihn hätte es weder die „Arbeitsgruppe Bürgerrechte“ an der FU noch das spätere „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.“ gegeben. Und auch die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP ist ohne seinen Einsatz nicht denkbar. In Gedenken an Wolf-Dieter Narr weiterlesen

Dicke Pakete – Anti-Terror-Gesetzgebung in der Schweiz

Der schweizerische Bundesrat, die Regierung des Landes, will sowohl das strafrechtliche Anti-Terror-Instrumentarium als auch die präventiv-polizeilichen Befugnisse gegen „Gefährder“ ausbauen. Das gerade neu gewählte Parlament wird sich im nächsten Jahr mit zwei umfangreichen Gesetzespaketen auseinandersetzen müssen.

Anders als in Deutschland ist das Repertoire an Anti-Terror-Gesetzen in der Schweiz bisher vergleichsweise klein. 2003 ratifizierte das Parlament zwar das UN-Übereinkommen gegen Terrorismusfinanzierung und fügte einen entsprechenden Artikel ins Strafgesetzbuch (Art. 260 quinquies StGB) ein, aber eine generelle Terrorismusstrafnorm lehnte es ebenso ab wie eine dem deutschen § 129a (terroristische Vereinigung) vergleichbare Strafbestimmung. Dicke Pakete – Anti-Terror-Gesetzgebung in der Schweiz weiterlesen

Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt – Die Bodycam-Studie der sächsischen Polizeihochschule

von Florian Krahmer

Der verfassungsrechtlich gebotene Nachweis der Wirkung sogenann­ter Bodycams stößt auf erhebliche Probleme – ein Blick auf das Beispiel Sachsen.

2017 war im Bundespolizeigesetz eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Körperkameras (Bodycams) eingefügt worden. Diverse Bundesländer sind diesem Beispiel inzwischen gefolgt, haben entsprechende Regelungen in ihren Polizeigesetzen verankert oder planen das. Begründet wird die Notwendigkeit der Einführung in der Regel mit der präventiven Wirkung der Bodycams, die den Schutz der sie tragenden Polizeibeamt*innen erhöhen sollen. Der Nutzen und die deeskalierende bzw. präventive Wirkung sind jedoch stark umstritten und es existiert trotz verschiedener Studien keine eindeutige Aussage hierüber.[1] Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt – Die Bodycam-Studie der sächsischen Polizeihochschule weiterlesen

Staatsversagen bei Finanzkriminalität – Warum Deutschland für Geldwäsche anfällig ist

von Stefan Herweg

Die Bekämpfung von Geldwäsche in Deutschland ist reformbedürftig. Eine Gesamtstrategie wäre nötig, um Defizite bei der Transparenz von Eigentumsverhältnissen, der Aufsicht, der Financial Intelligence Unit und der Strafverfolgung zu schließen.

Geldwäsche bezeichnet die Legalisierung von Geldern aus kriminellen Aktivitäten, sogenannten Vortaten. Die Einschleusung inkriminierter Vermögen in den legalen Wirtschaftskreislauf findet in der Regel in drei Phasen statt: Im ersten Schritt der Einspeisung (placement) wird meist Bargeld in kleinen Stückelungen in das Finanzsystem überführt. Im zweiten Schritt der Verschleierung (layering) wird durch Überweisungen innerhalb des Finanzsystems, oft über Ländergrenzen hinweg und unter Nutzung komplexer Finanzierungsstrukturen, die Nachverfolgung der Gelder stark erschwert. Im letzten Schritt der Rückführung (integration) wird das Geld in einen legalen Vermögenswert (Immobilie, Firmenanteile, Wertpapiere) investiert. Staatsversagen bei Finanzkriminalität – Warum Deutschland für Geldwäsche anfällig ist weiterlesen

„Eine einzige EU-Behörde“ – EU-Zollämter überwachen internationale Lieferketten

Für die EU-Kommission sind die Zollbehörden „Wächter der EU-Grenzen für den Warenfluss“. Bei ihrer Zusammenarbeit setzen sie vermehrt auf „Risikoanalyse“ und neue Informationssysteme.

Seit 1968 war die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine Zollunion für industrielle und ab 1970 dann auch für agrarische Produkte. An den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten entfallen seither sämtliche Zollformalitäten. Auch die Höhe der Zölle an den Außengrenzen, über die zuvor alle Länder in eigener Verantwortung entschieden hatten, wird seitdem über einen gemeinsamen Zolltarif geregelt. „Eine einzige EU-Behörde“ – EU-Zollämter überwachen internationale Lieferketten weiterlesen

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit – Erfahrungen aus gewerkschaftsnaher Beratung

von Ivan Ivanov und Michael Baumgarten

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist diejenige Untergliederung der Zollverwaltung, die Unternehmen auf Einhaltung ihrer Melde- und Beitragspflichten kontrolliert. Von den Konsequenzen der Kon­trollen sind auch Wanderarbeitskräfte betroffen, die ohne Kenntnis in nicht angemeldeten Arbeitsverhältnissen landen. Welche Formen von Schwarzarbeit werden im Baugewerbe angetroffen? Was richten diese Kontrollen gegen die Schwarzarbeit aus? Wie ist die Situation der Arbeitskräfte?

Angesichts der sozioökonomischen Verhältnisse in den Mittel-und Osteuropäischen Staaten (MOE-Staaten) erscheint Vielen eine Arbeitsmigration unter der Erwartung einer besseren Zukunft alternativlos. Ein Blick auf die Kennzahlen der rumänischen Volkswirtschaft verdeutlicht dies beispielhaft: Rumänien gehört zu den jüngeren EU-Mitgliedsstaaten. Im Zuge der zweiten EU-Osterweiterung im Jahr 2007 ist das Land gemeinsam mit Bulgarien der EU beigetreten. Im Nachgang des EU-Beitritts Rumäniens stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes steil an. Zwischenzeitlich wies Rumänien das stärkste Wirtschaftswachstum aller EU-Volkswirtschaften auf. Für 2019 prognostiziert die EU Kommission ein Wachstum des realen BIP von 3,8 Prozent.[1] Ebenfalls positiv hat sich die Arbeitslosenquote entwickelt. Auch hier belegt Rumänien mit aktuell 3,9 Prozent EU-weit Spitzenplätze.[2] Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit – Erfahrungen aus gewerkschaftsnaher Beratung weiterlesen

Wovon andere nur träumen – Die präventivpolizeiliche Seite des Zolls

Der Zoll kann auf eine ganze Reihe von Befugnissen zurückgreifen, die sonst nur der Polizei zur Verfügung stehen – manche gehen auch darüber hinaus. Anders als Polizeibehörden kann die Zollfahndung ohne Anleitung durch Staatsanwaltschaften agieren. Und auch der parlamentarischen Kontrolle ist der Zoll häufig entzogen.

 Es war ein Paukenschlag, der den Zoll plötzlich und unvermittelt in die Wahrnehmung von Bürgerrechtsaktivist*innen rückte. Am 30. März 2019 rückte eine Gruppe von Mitarbeitern des Hauptzollamtes Berlin – angewiesen durch die Fachabteilung Finanzkontrolle Schwarz­arbeit – auf den Eingang des Clubs „Mensch Meier“ in Berlin vor. Wovon andere nur träumen – Die präventivpolizeiliche Seite des Zolls weiterlesen

Migrationsagenda: Hotspots und Abschiebungen

Clara Anne Bünger

Am 16. Oktober 2019 hat die EU-Kommission einen neuen „Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda“ veröffentlicht, eine „Zwischenbilanz … nach vier Jahren“, so der Titel der zugehörigen Pressemitteilung .[1] Der scheidende EU-Kommissar für Inneres und Migration, Dimitris Avramopoulos, betont darin die „strukturellen und operativen Grundlagen“, die für ein umfassendes europäisches Migrationssystem gelegt worden seien.

Dabei zielen er und seine Kommission besonders auf das „Hotspot-Konzept“ ab, das die EU im Rahmen der Migrationsagenda von Mai 2015[2] entworfen hatte und das ursprünglich als „Solidaritätsmechanismus“ kommuniziert worden war. Migrationsagenda: Hotspots und Abschiebungen weiterlesen