Alle Beiträge von Heiner Busch

Redaktionsmitteilung

Ein Kastenwagen hält, Polizisten stürmen heraus und bauen sich vor den Jugendlichen auf. Personenkontrolle. Alle Gegenstände aus den Taschen nehmen und auf den Boden ausleeren. Ausweise vorzeigen, sich durchsuchen lassen und gegebenenfalls auch die Hose öffnen, damit die Polizisten den „Genitalbereich“ inspizieren. Bedran (17) und Gabar (18) kennen das zur Genüge. An manchen Tagen werden sie drei oder vier Mal kontrolliert – auf dem Heimweg von der Schule, vor der eigenen Haustür oder beim Herumhängen im Park. Es trifft sie regelmäßig, weil sie nicht so aussehen, wie man sich „normale Schweizer“ vorstellt. Sie wohnen im Langstrassenquartier, einem Zürcher Innenstadtviertel: Hier gab es die offene Drogenszene, hier gibt es Prostitution, aber auch mehr und mehr schicke Clubs und Restaurants, hier wohnen (noch) viele ImmigrantInnen, so lange sie sich die steigenden Mieten leisten können. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Institutionalisierter Rassismus – Racial Profiling – nicht nur bei Kontrollen

von Heiner Busch

Die Polizisten seien „schnurstracks“ auf sie zugekommen und hätten ihn und seinen minderjährigen Sohn kontrolliert. Der Junge habe gefragt, warum die Beamten in dem vollbesetzten Waggon nur sie beide nach den Papieren gefragt haben. „Kann die Antwort darauf sein: Wir sehen viel gefährlicher aus? Wir sehen illegaler aus? Ich habe gesagt, das ist vielleicht nur Zufall, die Polizei macht nur Stichproben. Aber ich weiß, dass es keine Stichprobe ist.“ Der grüne Bundestagsabgeordnete Memet Kiliç erzählt diese Episode in dem Film „ID without colours“ von Riccardo Valsecchi.[1]

Dass sie und nur sie herausgepickt und kontrolliert werden, ist eine Alltagserfahrung, die dunkelhäutige oder „fremd“ aussehende Menschen immer wieder machen. Es ist eine erniedrigende Erfahrung, denn der unausgesprochene Begleittext zur Kontrolle lautet: „Egal, was in eurem Pass steht; egal, ob eure Papiere in Ordnung sind; egal, warum ihr hier seid und ob ihr seit Ewigkeiten hier lebt – ihr seht anders aus, ihr seid immer verdächtig und eigentlich gehört ihr nicht hierher.“ Institutionalisierter Rassismus – Racial Profiling – nicht nur bei Kontrollen weiterlesen

Ganz und gar nicht kleinteilig: Ein Panorama der staatsschützerischen Dateienlandschaft

Interview mit dem Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans

Es braucht nicht viel, um in einer der vielen Informationssammlungen des Staatsschutzes erfasst zu werden. Aber selbst ein Freispruch ist keine Garantie für eine Löschung, erklärt Sönke Hilbrans. Mit dem Vorstandsmitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) sprach Heiner Busch.

Der Staatsschutz scheint eine besondere Rolle für die polizeiliche Datenverarbeitung zu spielen. In den langen Listen von Dateien, die die Bundesregierung in den letzten Jahren auf parlamentarische Anfragen hin herausgerückt hat, gibt es eine Vielzahl von Sammlungen, hinter denen ein staatsschützerische Interesse steckt. Kann man in diesem Dschungel eine Einteilung vornehmen?

Die Bedürfnisse des polizeilichen Staatsschutzes waren jedenfalls immer ein wesentlicher Motor für die polizeiliche Informationsverarbeitung. Das war zu Beginn der Terroristenverfolgung in den 1970er Jahren so, und so ist es bis heute geblieben. Rechtlich unterscheidet man heute allgemein zwischen Amtsdateien und Verbunddateien. Während Amtsdateien von einer Dienststelle im eigenen Interesse betrieben werden, stehen Verbunddateien eben einem ganzen Verbund von teilnehmenden Behörden zur Verfügung. Grundsätzlich können dabei alle Teilnehmer Daten eingeben und auch daraus abrufen. In Deutschland ist das Informationssystem der Polizei INPOL die Hintergrundarchitektur für die bundesweiten Verbunddateien. In INPOL werden auch wesentliche Verbunddateien für den Staatsschutz betrieben. Die Bundesländer unterhalten ferner eigene landesweite Informationssysteme. Ganz und gar nicht kleinteilig: Ein Panorama der staatsschützerischen Dateienlandschaft weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Fürstlich entlohnte Spitzel, von denen man nicht weiß, wem sie denn eigentlich dienten: dem Verfassungsschutz, der rechten Truppe, über die sie informieren sollten, oder einfach nur dem eigenen Portemonnaie – mit seinen V-Leuten im rechten Sumpf und seinem Gebaren rund um den NSU hat sich der Inlandsgeheimdienst diskreditiert. Es sind längst nicht mehr nur die üblichen linken und bürgerrechtsbewegten Verdächtigen, die nun seine Abschaffung fordern. Gut so. Allerdings hält ein Teil der KritikerInnen bereits wieder nach einem Ersatz für den Verfassungsschutz Ausschau und meint, den ausgerechnet in Gestalt des polizeilichen Staatsschutzes gefunden zu haben. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Unser Titelbild zeigt die Brückenstraße in Berlin-Treptow. Sie rangiert in den Meldungen von Reach-out, der Berliner Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, immer wieder als Tatort. Der letzte Eintrag stammt vom 2. September 2012: „Gegen 3.20 Uhr wird ein 23-jähriger Mann von drei Neonazis, die zu einem Bundestreffen in der Neonazi-Kneipe ‚Zum Henker‘ angereist sind, als ‚Linker‘ erkannt, geschubst, geschlagen und gejagt. Der 23-Jährige rettet sich in einen Imbiss.“ Redaktionsmitteilung weiterlesen

Auch die Vorgeschichte im Blick – Der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss

Interview mit Martina Renner

Die Geschichte des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ beginnt nicht erst mit dem Abtauchen des Trios Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 1998. Das Gewaltpotenzial der Neonazi-Szene wurde verharmlost. Der Verfassungsschutz agierte mit seinen V-Leuten „rechts- und regellos“, sagt Martina Renner. Heiner Busch befragte die Landtagsabgeordnete der LINKEN und stellvertretende Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses.

Was ist der Auftrag des Untersuchungsausschusses?

Der Untersuchungsausschuss wurde im Januar 2012 auf gemeinsamen Antrag aller Fraktionen im Thüringer Landtag eingesetzt. Er soll mögliches Fehlverhalten der Sicherheits- und Justizbehörden des Landes im Zusammenhang mit Aktivitäten rechtsextremer Strukturen, insbesondere des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS), unter die Lupe nehmen. Zum Auftrag des Ausschusses gehört auch die Rolle der zuständigen Ministerien einschließlich ihrer politischen Leitungen sowie der mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitenden Personen, der so genannten menschlichen Quellen, der V-Leute also. Auch die Vorgeschichte im Blick – Der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss weiterlesen

Unfall NSU? Falsche Interpretationen und übliche Lösungen

von Heiner Busch

Die Bundesregierung und die etablierten Parteien haben sich längst festgelegt: Mangelnde Koordination, fehlender Informationsaustausch und unklare Kompetenzen seien die Gründe für das Versagen der Sicherheitsbehörden angesichts der Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gewesen. Dementsprechend sehen auch ihre Folgerungen aus.

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) und die Arbeit der „Sicherheitsbehörden“ beschäftigen derzeit mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Jener des Bundestages wurde im Januar 2012 nach dem üblichen Gerangel zwischen Regierung und Opposition eingesetzt. Das Innenministerium Thüringens – jenes Bundeslandes, aus dessen Neonazi-Szene der NSU hervorgegangen ist – beauftragte zunächst ein Dreiergremium unter Leitung des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer mit einem Gutachten,[1] bevor der Landtag ebenfalls Ende Januar einen Untersuchungsausschuss auf die Beine stellte. Die Parlamente Sachsens und Bayerns zogen im März bzw. im Juli nach. Unfall NSU? Falsche Interpretationen und übliche Lösungen weiterlesen

Schengener Visa-Konsultationsverfahren

Wer auf einem Konsulat eines Schengen-Staates ein Visum beantragt, muss nicht nur darlegen, was der Zweck der Reise ist, und nachweisen, dass er oder sie über die nötigen finanziellen Mittel, eine Reisekrankenversicherung u.ä. verfügt. Die jeweilige Auslandsvertretung prüft auch, ob die AntragstellerInnen im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben sind. Während das SIS und seine Rolle bei der Einreiseverweigerung recht häufig in der Diskussion sind, wird dagegen das so genannte Konsultationsverfahren, das auch den Staatsschutz- und Geheimdiensten der Mitgliedstaaten erlaubt, sich in die Visa-Vergabe einzumischen, kaum beachtet. Schengener Visa-Konsultationsverfahren weiterlesen