Archiv der Kategorie: CILIP 083

(1/2006) WM 2006: Die Welt überwacht von Freunden

Abwehr eines Grundrechts-GAUs – Karlsruhe verbietet den „Rettungsabschuss“

von Martin Kutscha

Mit eindringlichen Worten hat das Bundesverfassungsgericht die im Luftsicherheitsgesetz enthaltene Ermächtigung, „terrorverdächtige“ Flugzeuge abzuschießen, für verfassungswidrig erklärt. Regierungspolitiker reagierten darauf – fast schon wie gewohnt – mit Forderungen nach einer Verfassungsänderung oder schlicht nach Anwendung von Kriegsrecht in Deutschland.

Es ist nicht eben häufig, dass die schmale Bürgerrechtsbewegung in der Bundesrepublik einen durchschlagenden Erfolg ihres Engagements in ei­ner wichtigen Grundrechtsfrage feiern kann. Zu diesen Fällen zählt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz, das im Juni 2004 von der damaligen „rot-grünen“ Regierungsmehrheit im Bundestag verabschiedet worden war.[1] Abwehr eines Grundrechts-GAUs – Karlsruhe verbietet den „Rettungsabschuss“ weiterlesen

Trittbrett für Datenkraken – Mit Fragebögen und RFID-Tickets zum Daten-Weltmeister

von padeluun, FoeBuD e.V.

Was könnte es Besseres geben für die Befürworter eines Überwachungsstaates als ein Riesen-Fußball-Ereignis mit Millionen begeisterter Menschen, die für ihren Fußball wirklich alles tun würden – auch ohne nachzudenken sich freiwillig überwachen zu lassen. Das Ticket-System der WM macht’s möglich.

Zur Weltmeisterschaft wartet das Organisationskomitee der FIFA – sprich der Deutsche Fußballbund (DFB) – mit einem elektronischen Ticketsystem auf. Die Karten sind mit einem RFID-Chip versehen, der beim Eintritt ins Stadion ausgelesen wird und sie eindeutig einer bestimmten Person zuordnet. Die dafür nötigen Daten lieferten die Fans selbst: Sie mussten bei der Kartenbestellung einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Glaubt man den Fußballfunktionären, dann soll dieses System zwei Funktionen erfüllen: Erstens sicherstellen, dass bekannte „Hooligans“ und Gewalttäter keinen Zugang zu den Stadien erhalten, und zweitens den üblichen Schwarzmarkt ausschalten. Das System bedient jedoch nicht nur den völlig überdrehten Sicherheitswahn, sondern vor allem die Werbeinteressen der Sponsoren, die zumindest einen Teil der Kundendaten erhalten werden. Trittbrett für Datenkraken – Mit Fragebögen und RFID-Tickets zum Daten-Weltmeister weiterlesen

G8-Gipfel vor Gericht – Juristisches Verwirrspiel um die Repression in Genua 2001

von Anneke Halbroth mit Supporto Legale Genua

Seit dem G8-Gipfel in Genua im Sommer 2001 sind fast fünf Jahre vergangen, und geblieben sind nicht nur die Bilder von kraftvollen Protesten, sondern auch die Erinnerungen an einen Gipfel, der viel Polizeigewalt und Repression mit sich brachte.

Die öffentliche Aufregung hat sich gelegt, in Italien und anderswo; und die Vorgänge der Tage im Juli beschäftigen zur Zeit vor allem die Justiz. Derzeit werden in Genua mehrere Prozesse verhandelt. Davon sind in drei Prozessen Polizisten, aber auch Ärzte und Pflegepersonal angeklagt; in einem vierten Prozess stehen 25 italienische AktivistInnen vor Gericht. G8-Gipfel vor Gericht – Juristisches Verwirrspiel um die Repression in Genua 2001 weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Großereignisse sind naturgemäß ein polizeiliches Aufgabenfeld. Wo viele Menschen zusammenkommen, wo viel öffentliche Aufmerksamkeit gewiss ist, da liegt es auf der Hand, dass Kriminalität vermehrt auftreten kann und dass Gefahren entstehen können. Dieser Allgemeinplatz erfährt im Fall der Fußball-WM eine besondere Zuspitzung. Hier fließen mindestens drei Entwicklungen zusammen, die die Sicherheit des Turniers zu einer ganz besonderen polizeilichen Angelegenheit machen: Erstens verfügen die Polizeien über langjährige Erfahrungen mit Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen, und sie haben ein reichhaltiges Repertoire an Mitteln entwickelt, um dieser Gewalt präventiv und repressiv zu begegnen. Zweitens stehen spätestens seit dem 11.9. alle Großveranstaltungen unter einer erhöhten terroristischen Anschlagsgefahr. Und drittens haben die FIFA und die Verbände mit ihren Vermarktungsstrategien die „schönste Nebensache der Welt“ derart überhöht, dass gerade in Fragen der Sicherheit nichts schief gehen darf. Seit Jahren arbeiten die deutschen Sicherheitsbehörden deshalb auf allen Ebenen daran, der Welt sichere Spiele zu präsentieren. Im Folgenden wird auf einige ausgewählte Veröffentlichungen hingewiesen, die einen Einblick in die polizeilichen Konzepte und WM-Vorbereitungen erlauben. Literatur weiterlesen

Herzlich willkommen? Behandlung von Fußballfans bei internationalen Turnieren

von Wilko Zicht

Ein Rückblick auf die Europa- und Weltmeisterschaften der letzten zwanzig Jahre zeigt: Wenn ein Turnier positiv verlaufen soll, dann dürfen Fans und ihre Interessen nicht nur als Sicherheitsrisiken wahrgenommen werden.

„Kultur ist nichts für Fußballfans, die verstehen nur den Polizeiknüppel.“ Das war die kurze und prägnante Antwort eines hohen DFB-Funktionärs auf die Frage, wie die vielen zur Europameisterschaft 1988 erwarteten Fans empfangen werden sollten.[1] Dementsprechend sahen die Empfangskomitees vor den Bahnhöfen aus: Behelmte Hundertschaften nahmen sich der BesucherInnen aus England, den Niederlanden und aus Italien an und spielten für sie während des gesamten Aufenthalts in Deutschland die Rolle des Gastgebers. Herzlich willkommen? Behandlung von Fußballfans bei internationalen Turnieren weiterlesen

Fußballfans unter Beobachtung – Die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“

von Martina Kant

Erstellung aussagekräftiger Lagebilder über gewalttätige und gewaltbereite Fußballfans und Koordination der Sicherheitsmaßnahmen mit in- und ausländischen Polizeien im Vorfeld sowie während der Spiele. Das sind die wichtigsten Aufgaben der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze zur WM 2006. Aber auch sonst sammelt und verwaltet sie jede Menge Daten.

Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) ist keine Erfindung zur Fußball-WM 2006. Bereits 1991 fasste die Innenministerkonferenz (IMK) den Beschluss, eine zentrale Sammelstelle für polizeilich relevante Informationen rund um den Sport, insbesondere den Fußball, einzurichten. Deren Zweck sei, „den Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden bei größeren Sportveranstaltungen zu standardisieren und zu intensivieren mit dem Ziel, Gewalttätigkeiten … zu verhindern“.[1] Anfang 1992 nahm die ZIS in Düsseldorf ihren Betrieb auf – zehn Jahre bevor die Einrichtung solcher Zentralstellen in allen EU-Staaten verpflichtend wurde. Die IMK entschied damals, die Stelle beim nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA) anzusiedeln, da wegen der zahlreichen in Nordrhein-Westfalen ansässigen Bundesligavereine dort das größte Informationsaufkommen zu erwarten sei.[2] Im LKA ist die ZIS zusammen mit der Landesinformationsstelle Sporteinsätze (LIS) im Dezernat 43 der Abteilung „Einsatzunterstützung“ zugeordnet. Auch die anderen Bundesländer haben Landesinformationsstellen eingerichtet. Ihre Aufgabe ist es, Informationen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich zu sammeln und an die ZIS weiterzugeben. Sie verstehen sich, so die Darstellung der Berliner LIS, als „Ansprechpartner für Behörden, Verbände, Vereine und andere Interessierte rund um Sport­einsätze“. Fußballfans unter Beobachtung – Die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ weiterlesen

Zwischen Werbestatist und Hooligan – Die Instrumentalisierung der Fans durch die Profiteure des Fußballgeschäfts

von Matthias Bettag

Für die einen sind sie eine Gefahr, für die anderen die notwendige Kulisse, von der der Fußball lebt. Kaum ein Begriff wird im Zusammenhang der Weltmeisterschaft so undifferenziert und beliebig benutzt wie der des „Fußballfans“.

Für den Generalsekretär des Deutschen Fußballbundes und Vizepräsidenten des WM-Organisationskomitees, Horst R. Schmidt, ist „jeder Zuschauer ein Fußballfan und jeder Fußballfan ein Zuschauer“.[1] Für den ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily sind „Fußballfans keine Gewalttäter und Gewalttäter keine Fußballfans“.[2] Beide Aussagen sind symptomatisch für die Instrumentalisierung von Fußballfans.

Schmidt macht es mit seiner pragmatischen Definition vor allem dem Marketing recht: Der Profifußball – und das gilt vor allem für die WM – ist ein kommerzielles Großereignis mit hohen Profiterwartungen. Aufgrund der Sponsoreninvestitionen sowie massiver direkter und indirekter Unterstützung aus Steuergeldern ist der Fußball ein Milliardengeschäft, welches jedoch für sich in Anspruch nimmt, dem Gemeinwohl zu dienen. Sponsoren zahlen enorme Summen für exklusive Werberechte, wenn die zu bewerbende Zahl der Zuschauer hoch ist. Zwischen Werbestatist und Hooligan – Die Instrumentalisierung der Fans durch die Profiteure des Fußballgeschäfts weiterlesen