Schlagwort-Archive: Migration

„Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten?

von Rainer Geißler

Das Vorurteil vom „kriminellen Ausländer“ erschwert die notwendige Integration von Migranten. Problematisch präsentierte und falsch interpretierte Daten der Polizeistatistik haben diese Situation mit verschuldet.

„Die in Deutschland lebenden Ausländer begehen häufiger Straftaten als Deutsche“. Diese Aussage wurde 1996 von 50 Prozent der Ostdeutschen und 36 Prozent der Westdeutschen ausdrücklich bejaht.[1] Sie stehen mit diesem Vorurteil nicht alleine da: Das Zerrbild des bedrohlichen und d.h. vor allem des „kriminellen Ausländers“ bedienen auch große Teile der Medien – und zwar nicht nur in reißerischen Stories über Einzelfälle: In einer um Ausgewogenheit bemühten Titelgeschichte („Zu viele Ausländer?“) kam etwa der „Spiegel“ 1998 zu dem Schluss: „Zwar geht die Ausländerkriminalität minimal zurück – 1996 waren noch 28,3 Prozent aller Tatverdächtigen keine Deutschen, im vergangenen Jahr waren das 27,9 Prozent. Doch stellen Ausländer eben nur insgesamt rund 9 Prozent der Bevölkerung … Ausländer sind im Schnitt krimineller, da hilft kein Schönreden.“[2] In einem Einwanderungsland – und als ein solches wird Deutschland inzwischen auch von den politischen Eliten angesehen – sind solche Meinungen ein ernsthaftes Hindernis bei der Integration der Migranten, lösen unnötige Ängste aus und schüren fremdenfeindliche Ressentiments. „Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten? weiterlesen

Vorverlagerte Migrationskontrolle – Polizeiliche Verbindungsbeamte im Ausland

Mark Holzberger

Den Import von Drogen schon in den Herkunfts- bzw. Transitländern unterbinden – das ist der strategische Ansatz für die Entsendung polizeilicher Verbindungsbeamter ins Ausland.[1] Was (angeblich) gegen den Drogenhandel hilft – so denkt man sich in Berlin und Brüssel –, nutzt auch, um Migrations- und Fluchtrouten nach Westeuropa zu kappen.

1983 beschloss die Bundesregierung ein „Aktionsprogramm zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmissbrauchs“, in dem sie u.a. folgende Strategie der Vorverlagerung proklamierte: Die polizeiliche Drogenbekämpfung sollte nicht erst im Inland beginnen, sondern bereits in den Produktions- und Transitregionen.[2] Zentrales Element dieser Strategie war neben der Ausstattungshilfe für die Polizeien der betreffenden Staaten die Entsendung von Verbindungsbeamten (VBs) des Bundeskriminalamts (BKA). Vorverlagerte Migrationskontrolle – Polizeiliche Verbindungsbeamte im Ausland weiterlesen

Spaniens elektronische Mauer – Immigration zwischen Vertuschung und Kriminalisierung

von Gerhard Piper

Täglich versuchen Menschen aus Marokko oder Schwarzafrika in kleinen Fischerbooten die Straße von Gibraltar zu überqueren. Genau 12,964 Kilometer trennen hier den reichsten vom ärmsten Kontinent.[1] Nun will der Schengen-Staat Spanien die Abschottung seiner Südgrenze durch ein neues Überwachungssystem verstärken. Bis Juli 2001 soll der erste Bauabschnitt des Sistema Integrado de Vigilancia Exterior (SIVE) fertiggestellt sein.

Im ersten Quartal dieses Jahres nahmen die spanischen Polizeien rund 3.000 Personen fest, die die Meerenge, den Estrecho, ohne die notwendigen Papiere überquert hatten.[2] Wie viele Menschen insgesamt jedes Jahr, getrieben von wirtschaftlicher Not, Bürgerkriegen oder Verfolgung, diesen gefährlichen Versuch unternehmen, ist nicht bekannt. Wo das Mittelmeer in den Atlantik fließt, kentern viele kleine Boote durch den Seegang oder die Bugwellen großer Frachtschiffe und Öltanker. Fluchthelfer haben die Boote so voll Menschen gestopft, dass nicht einmal mehr Platz zum Schöpfen bleibt, wenn Meerwasser über die Bootskante schwappt. Gerät ein Flüchtlingsboot in Seenot, können die Einwanderer niemanden zu Hilfe rufen.[3] Eine zivile Seenotrettungsorganisation, wie sie an den deutschen Küsten schon seit hundert Jahren tätig ist, gibt es in Spanien nicht.[4] Obwohl sie nur gegen die Visa-Bestimmungen verstoßen haben, werden die „Papierlosen“ häufig mit Kriminellen und Drogendealern gleichgesetzt.[5] Spaniens elektronische Mauer – Immigration zwischen Vertuschung und Kriminalisierung weiterlesen

Krokodilstränen um tote MigrantInnen – Die EU und die Lehren aus Dover

von Mark Holzberger

Der Schock über den Tod von 58 heimlichen GrenzgängerInnen, die in der Nacht zum 19. Juni im Frachtraum eines Lastwagens in Dover gefunden worden waren, war nur kurz. Abgelöst wurde er durch hektische Aktivitäten, die polizeiliche Bekämpfung der sog. Schleuserkriminalität zu verbessern. Ein Irrweg.

Der Tod der in einem niederländischen LKW versteckten chinesischen MigrantInnen konnte grausamer kaum sein. Nach einer monatelangen Odyssee über Peking, Russland, die Ukraine, Tschechien, die BRD und die Niederlande waren die ChinesInnen aus der Provinz Fuquing endlich auf britischem Boden angelangt. Dann stand der mit Tomaten beladene LKW aber stundenlang in der an diesem 18. Juni auch in Großbritannien herrschenden Hitze. Die Temperaturen im Frachtraum waren unerträglich und die Atemluft wurde knapp. Alles Schreien und Trommeln half nichts. Nur zwei Menschen überlebten verletzt und traumatisiert. Die anderen 58 starben einen qualvollen Erstickungstod. Krokodilstränen um tote MigrantInnen – Die EU und die Lehren aus Dover weiterlesen

Zwang zum Wohlverhalten – Zum rechtlichen Sonderstatus von MigrantInnen

von Anja Lederer

Auch wenn sie in den „Genuss“ eines Aufenthaltstitels kommen, bleiben AusländerInnen vielfältigen und einschneidenden Sondergesetzen unterworfen. Dieses Sonderrecht ist aber kein bloßer Papiertiger. Polizeiliche Kontrollen und behördlicher Datenaustausch sorgen dafür, dass es auch durchgesetzt wird.

Schon grundsätzlich sind die gesetzlichen Möglichkeiten für AusländerInnen, einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen, eng begrenzt. Verhältnismäßig selten gelingt es politisch Verfolgten, unbeschadet die BRD zu erreichen und dann als asylberechtigt oder als ausländischer Flüchtling anerkannt zu werden. Ansonsten bedarf es im Wesentlichen einer engen familiären Beziehung zu einem/r deutschen Staatsangehörigen oder einem/r bereits lange legal hier lebenden AusländerIn, um einen Aufenthaltstitel mit der Option auf Dauerbleibemöglichkeit zu erhalten. Ausgeschlossen ist ein Familiennachzug normalerweise, wenn aus behördlicher Sicht die „Gefahr“ besteht, dass nach dem Zuzug öffentliche Leistungen bezogen werden müssen. Zwang zum Wohlverhalten – Zum rechtlichen Sonderstatus von MigrantInnen weiterlesen