Schlagwort-Archive: Migration

„Nur eine Erde“ – Satellitengestützter „Kampf gegen illegale Einwanderung“

von Initiative ziviles Bremen

Bei der Abwehr „illegaler“ Migration setzt die EU auch auf Satellitentechnologie. Mit Global Monitoring for Environment and Security (GMES) hat sie ein Großprogramm zur Vernetzung von Erdüberwachungssatelliten gestartet, an dem die EU-Grenzschutz­agentur FRONTEX mitarbeitet. Die weltraumgestützte Überwachungstechnologie stammt aus Bremen.[1]

Das Global Monitoring for Environment and Security (GMES) ist ein EU-Programm, in dessen Rahmen bestehende Erdbeobachtungssysteme vernetzt und neue Satelliten ins All geschossen werden sollen. Im Rahmen ihres Forschungsrahmenprogramms (FP) 7 hat die EU beschlos­sen, dafür bis 2013 jährlich 200 Millionen Euro zu investieren. In ihren Veröffentlichungen betont sie vor allem die ökologische Seite des Projekts. Die Beobachtung der Polkappen, der Entwicklung möglicher Flutwellen oder der Versteppung wird als notwendige Grundlage für ein wirksames Vorgehen gegen die Klimakrise gepriesen. „Wir haben nur eine Erde.“ So bewirbt etwa das Land Bremen sein GMES-Engagement.[2] „Nur eine Erde“ – Satellitengestützter „Kampf gegen illegale Einwanderung“ weiterlesen

Virtuelle Mauern im Südosten – Die Türkei auf dem Weg nach Schengen

von Emre Ertem

Freizügigkeit für türkische ArbeiterInnen soll es in der EU nur geben, wenn die Türkei zuvor die Kriterien des Schengen-Acquis erfüllt. Um dem EU-Beitritt näher zu kommen, versucht die Türkei, ihre Grenzen im Südosten abzudichten.

Im Oktober 2005 nahm die Türkei Beitrittsverhandlungen mit der EU auf. Seit etwa derselben Zeit ist in den Zeitungen des Landes zu lesen, dass die BürgerInnen demnächst neue Pässe mit einem Chip erhalten werden, auf dem ihre biometrischen Daten digital gespeichert sind.[1] Die Behörden erklären, dass der neue e-Pass besser gegen Fälschung, Verfälschung und Missbrauch gesichert sei. Sie behaupten aber auch, dass die BürgerInnen der Türkei mit diesem Dokument „einfacher“ in EU-Länder reisen könnten. Virtuelle Mauern im Südosten – Die Türkei auf dem Weg nach Schengen weiterlesen

Ein Wackelpudding – Das Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration

von Mark Holzberger

Im Mai 2006 wurde das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM) eingerichtet. Die dortige Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten wird – auch gegen parlamentarische Anfragen – gut abgeschirmt.[1]

GASIM will es den beteiligten Behörden ermöglichen, ihre Informationen zum „Phänomenbereich“ der unerlaubten Zuwanderung „zusammenzuführen und zu verdichten“, sich in „operativen und strategischen Fragen zu unterstützen“ und ihr Vorgehen bei der grenzüberschreitenden Bekämpfung irregulärer Migration zu koordinieren. Ein Wackelpudding – Das Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration weiterlesen

Exterritoriale Lager – Libyen und die Ukraine als Pufferstaaten der EU

von Christopher Nsoh

Was vor einigen Jahren noch als unerträgliches Planspiel führender europäischer Politiker erschien, ist längst unerträgliche Wirklichkeit: Das Lagersystem vor den Toren Europas ist Teil der EU-Innenpolitik.

Am 5. Februar 2003 berichtete die Londoner Zeitung „The Guardian“ erstmals von Plänen der britischen Regierung, wie die Zahl der Asylsuchenden im Vereinigten Königreich und in der EU insgesamt um die Hälfte zu senken sei. Das auf den Namen „Neue Vision für Flüchtlinge“ getaufte Projekt sah vor, Asylsuchende, deren Anträge bereits abgelehnt waren, in extra-territoriale Lager außerhalb der Union – so genannte Transit Processing Centres (TPCs) und Regional Protection Areas (RPAs) – abzuschieben. Neue Asylsuchende sollten in eben diesen Lagern die Prüfung ihrer Anträge abwarten und nur bei einem positiven Verfahrensausgang in die EU einreisen dürfen. Ähnliche Pläne hegten auch andere EU-Staaten. So hatte sich bereits im Jahre 2002 der damalige dänische Einwanderungsminister Bertel Haarder dafür ausgesprochen, den Flüchtlingsschutz in die Herkunftsregionen zu verlegen.[1] Exterritoriale Lager – Libyen und die Ukraine als Pufferstaaten der EU weiterlesen

Frontex – eine Vernetzungsmaschine – Koordinieren, analysieren, unterstützen, forschen

von Christoph Marischka

Frontex vernetzt zahlreiche zivile und militärische Behörden auf europäischer und nationaler Ebene. Die EU-Grenzschutz-Agentur soll ein „unpolitisches“ und effektives Regieren an der allgegenwärtigen Außengrenze ermöglichen.

Frontex ist das französische Akronym (frontières extérieures) für die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, die Oktober 2005 in Warschau ihre Arbeit aufnahm. In ihrem Jahresbericht 2006 rühmt sie sich, vor der westafrikanischen Küste nahezu 5.000 „illegale Immigranten“ davon abgehalten zu haben, die gefährliche Reise über den Atlantik auf die Kanaren anzutreten, „die ihnen das Leben hätte kosten können“.[1] Nachdem Ende Mai 2007 die Bilder von 27 Menschen durch die Medien gegangen waren, die im Mittelmeer schiffbrüchig wurden, sich an ein Thunfischfangnetz klammern und dort tagelang ausharren mussten, weil sie niemand aufnehmen wollte, veranstaltete der Innen- und Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments eine öffentliche Anhörung über „die Tragödie der MigrantInnen auf See“.[2] Frontex-Exekutivdirektor Ilkka Laitinen hätte dort erläutern sollen, wie solche Tragödien zu verhindern und Rettungen gemäß dem internationalen Seerecht und den Menschenrechten durchzuführen seien. Er erschien nicht. Frontex – eine Vernetzungsmaschine – Koordinieren, analysieren, unterstützen, forschen weiterlesen

Europas Grenzen in Afrika – Immigrationsverhinderung um jeden Preis

von Rafael Lara

Die doppelten Stacheldrahtzäune um Ceuta und Melilla sind zum Sinnbild für die geschlossenen Grenzen der EU geworden. Im Herbst 2005 wagten afrikanische Flüchtlinge und ImmigrantInnen mehrfach den verzweifelten Versuch, die Grenzbefestigungen um die beiden spanischen Exklaven auf der südlichen Seite der Meerenge von Gibraltar zu stürmen.

Die Ereignisse des letzten Herbstes haben eine längere Vorgeschichte. Seit Jahren setzen die EU und insbesondere Spanien die marokkanische Regierung unter Druck, sie solle der irregulären Einwanderung von AfrikanerInnen von südlich der Sahara ein Ende setzen. Nachdem die marokkanische Polizei sie aus den Städten vertrieben hatte, hatten Tausende von AfrikanerInnen im Jahre 2004 in behelfsmäßigen Lagern in der Nähe der Grenzen zu Ceuta und Melilla Zuflucht gesucht: in Oujda, El Gourugú, Mesnana und Benyunesh. Diese Personen hatten die Reise quer durch den Kontinent hinter sich – eine Reise, die teilweise bis zu einem Jahr dauerte und unter den unmenschlichsten Bedingungen stattfand: kaum Wasser und Nahrung, lange Fußmärsche, häufig genug polizeiliche Verfolgung und willkürliche Festnahmen. Nun mussten sie über Monate hinweg die Bedingungen dieser Lager erdulden. Tausende, darunter schwangere Frauen und Kinder, lebten hier ohne Versorgung und Obdach, ohne sauberes Wasser und ohne eine adäquate medizinische Hilfe.[1] Hinzu kamen die ständigen Hetzjagden, die Razzien und die Gewalt der marokkanischen Ordnungskräfte.[2] Europas Grenzen in Afrika – Immigrationsverhinderung um jeden Preis weiterlesen

Zurück zum Fremden-Polizeirecht? Anti-Terror-Gesetzgebung im Zuwanderungsgesetz

von Marei Pelzer

Schon die Anti-Terrorpakete nach dem 11. September 2001 schränkten vor allem die Rechte hier lebender MigrantInnen und Flüchtlinge ein. Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde der gesetzgeberische Aktionismus fortgesetzt.

Das Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, enthält massive sicherheitspolitische Verschärfungen.[1] Darauf hatte vor allem die CDU/CSU gedrängt, die ihren Einfluss aufgrund der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes im Bundesrat geltend machen konnte. Die Ausprägung des „Ausländerrechts“ als Gefahrenabwehrrecht wurde nicht nur beibehalten, sondern sogar noch ausgeweitet. Statt ein modernes Einwanderungsgesetz zu schaffen, wurde der Charakter eines „Fremden-Polizeirechts“ vordemokratischen Gepräges ausgebaut. Zurück zum Fremden-Polizeirecht? Anti-Terror-Gesetzgebung im Zuwanderungsgesetz weiterlesen

Mehr als nur ein Schlag ins Wasser – Die EU intensiviert die Kontrollen ihrer Seegrenzen

von Mark Holzberger

Die EU setzt inzwischen eine Vielzahl von Instrumenten ein, um unerlaubte Zuwanderer weit vor den Grenzen Europas – spätestens aber auf dem Mittelmeer – davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen. Die entscheidende Frage aber, wie mit Flüchtlingen umgegangen werden soll, die bei solchen außereuropäischen Polizeieinsätzen aufgegriffen werden, kann die EU bislang nicht beantworten.

Seit der Sitzung mit seinen EU-KollegInnen Mitte Juli 2004 wird Bundesinnenminister Otto Schily nicht müde, seiner Sorge Ausdruck zu verleihen „über die große Zahl derer, die sich in oft seeuntüchtigen Booten auf den Weg nach Europa machen und dabei Leib und Leben riskieren“. Um das tausendfache Sterben auf dem Mittelmeer zu stoppen, schlug der Minister zwar auch vor, die Kapazitäten zur Seenotrettung zu verbessern. Sein Hauptinteresse liegt aber auf einem anderen Gebiet: Die Schleusung heimlicher MigrantInnen auf dem Seewege müsse „verstärkt bekämpft werden“. Hierzu sei „eine verstärkte Kooperation mit allen Anrainerstaaten des Mittelmeeres, insbesondere den nordafrikanischen Staaten“ nötig. Für die auf See aufgegriffenen Personen empfahl Schily Aufnahmeeinrichtungen „außerhalb der Grenzen Europas“ – z. B. in den nordafrikanischen Mittelmeerländern.[1] Mehr als nur ein Schlag ins Wasser – Die EU intensiviert die Kontrollen ihrer Seegrenzen weiterlesen

Geheimdienstlicher Asylmissbrauch – Anwerbepraktiken des niederländischen Geheimdienstes

von Wil van der Schans

Der niederländische Inlandsgeheimdienst, der Allgemeine Nachrichten- und Sicherheitsdienst (AIVD), verspricht Flüchtlingen, eine Tätigkeit als Informant würde sich positiv auf ihr Asylverfahren auswirken. Ein Bericht des Büros Jansen & Janssen von Ende 2003 zeigt, wie der Dienst die unsichere Lage der Flüchtlinge und ihre Unkenntnis ausnutzt.

Die Anwerbung von Informanten unter Asylsuchenden ist eine der wenigen Aufgaben des AIVD, zu der es klare Regeln gibt. Die Mitarbeit von Flüchtlingen und Migranten darf immer nur freiwillig geschehen. Im November 2003 hat das Büro „Jansen & Janssen“, das die Arbeit von Polizei und Geheimdiensten kritisch verfolgt, in einem Bericht dargelegt, dass der AIVD diese Regeln immer wieder verletzt.[1] Geheimdienstlicher Asylmissbrauch – Anwerbepraktiken des niederländischen Geheimdienstes weiterlesen

„Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten?

von Rainer Geißler

Das Vorurteil vom „kriminellen Ausländer“ erschwert die notwendige Integration von Migranten. Problematisch präsentierte und falsch interpretierte Daten der Polizeistatistik haben diese Situation mit verschuldet.

„Die in Deutschland lebenden Ausländer begehen häufiger Straftaten als Deutsche“. Diese Aussage wurde 1996 von 50 Prozent der Ostdeutschen und 36 Prozent der Westdeutschen ausdrücklich bejaht.[1] Sie stehen mit diesem Vorurteil nicht alleine da: Das Zerrbild des bedrohlichen und d.h. vor allem des „kriminellen Ausländers“ bedienen auch große Teile der Medien – und zwar nicht nur in reißerischen Stories über Einzelfälle: In einer um Ausgewogenheit bemühten Titelgeschichte („Zu viele Ausländer?“) kam etwa der „Spiegel“ 1998 zu dem Schluss: „Zwar geht die Ausländerkriminalität minimal zurück – 1996 waren noch 28,3 Prozent aller Tatverdächtigen keine Deutschen, im vergangenen Jahr waren das 27,9 Prozent. Doch stellen Ausländer eben nur insgesamt rund 9 Prozent der Bevölkerung … Ausländer sind im Schnitt krimineller, da hilft kein Schönreden.“[2] In einem Einwanderungsland – und als ein solches wird Deutschland inzwischen auch von den politischen Eliten angesehen – sind solche Meinungen ein ernsthaftes Hindernis bei der Integration der Migranten, lösen unnötige Ängste aus und schüren fremdenfeindliche Ressentiments. „Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten? weiterlesen