Archiv der Kategorie: CILIP 084

(2/2006) Grenzenlose Sicherheit: Das Europa der Polizeien

Der Traum von der restlosen Erfassung – Stand und Planung der EU-Informationssysteme

von Heiner Busch

Die breite Nutzung und der Ausbau von EU-Informationssystemen im polizeilichen und fremdenpolizeilichen Sektor ist ein deutliches Zeichen für das Zusammenwachsen der EU – allerdings kein gutes.

Die Innen- und Justizpolitik der EU steht vor einem technologischen Quantensprung: 2007 soll das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) ans Netz gehen. Das neue Datensystem markiert auch dem Inhalt nach einen Generationswechsel. Die Biometrie hält definitiv Einzug in die (fremden-)polizeiliche Datenwelt der EU und die Kommission schmiedet bereits weitere Pläne für die „Interoperabilität“ mit anderen Systemen: dem Visa-Informationssystem (VIS), das ebenfalls 2007 in Betrieb gehen soll, und mit Eurodac, der Datenbank, in der seit 2003 Fingerabdrücke von Asylsuchenden EU-weit erfasst und verglichen werden. Im November vergangenen Jahres startete Europol sein „Informationssystem“ und komplettierte damit – vorerst zumindest – sein informationstechnisches Instrumentarium. Der Traum von der restlosen Erfassung – Stand und Planung der EU-Informationssysteme weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2005

von Otto Diederichs

Dass es zunehmend schwieriger wird, den polizeilichen Schusswaffengebrauch verlässlich nachzuvollziehen und auswerten zu können, ist ein bekanntes und schon häufig beklagtes Problem.[1] Zu den üblichen Schwierigkeiten kam in diesem Jahr die Verstocktheit des sächsischen Innenministeriums.

Die offizielle Schusswaffengebrauchsstatistik erschien Ende Mai 2006 als Pressemitteilung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU), der derzeit als Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) waltet.[2] Polizeiliche Todesschüsse 2005 weiterlesen

Deformation durch Information – Notwendige Fragen zum BND und seiner Kontrolle

Die „Notwendigkeit“ der geheimdienstlichen „Aufklärungsarbeit“ dürfe „in keiner Weise in Frage gestellt werden“, ließ die Bundeskanzlerin den parlamentarischen GeheimdienstkontrolleurInnen ausrichten.[1] Frau Merkel hat damit das grundlegende Hindernis benannt, an dem die Kontrolle nicht nur der Geheimdienste scheitert: die nicht in Frage gestellten Voraussetzungen.

Journalisten werden ausspioniert. BND-Mitarbeiter helfen den USA im Geheimen, den Krieg gegen Saddam Hussein zu gewinnen. „Skandal, Skandal“, tönt es aus allen Ecken. Die einen regen sich darüber auf, was der BND tut. Die anderen halten „betroffen“ dagegen, dass im Zeichen des Antiterrorismus der geschlossene Konsens der antiterroristischen DemokratInnen nicht in Frage gestellt werden dürfe. Deformation durch Information – Notwendige Fragen zum BND und seiner Kontrolle weiterlesen

Mehr Befugnisse und weniger Regeln – Eine nette kleine Debatte um „Europols Zukunft“

von Ben Hayes

Die Debatten der EU-Gremien über Europol folgen immer dem gleichen Muster: Weil das Europäische Polizeiamt mehr Befugnisse und einen „flexibleren“ rechtlichen Rahmen erhalten soll, müssen kritische Fragen ignoriert werden.

Im Januar 2002 veröffentlichte Statewatch einen umfangreichen Bericht über die Arbeit und die weitere Entwicklung des Europäischen Polizeiamtes (Europol). Dieser Bericht beleuchtete zum einen die Arbeit des Amtes, hinterfragte dessen Effizienz und kritisierte die fehlende politische und justizielle Kontrolle. Zum anderen be Mehr Befugnisse und weniger Regeln – Eine nette kleine Debatte um „Europols Zukunft“ weiterlesen

Falsche Rechtsgrundlage – Rechtswidriger Austausch von Fluggastdaten mit den USA

von Mark Holzberger

Vor drei Jahren hatten die EU und die USA im Rahmen der Terrorismusbekämpfung ein Abkommen über die Weitergabe von Fluggastdaten geschlossen. Dieses ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) rechtswidrig.[1]

Nach dem 11. September 2001 hatten die US-Behörden von Fluggesellschaften, die in die USA oder über deren Territorium fliegen, unter Androhung von Sanktionen Zugang zu deren „Passenger Name Records“ (PNR) verlangt. Nach langen Verhandlungen einigte man sich schließlich auf 34 zu übermittelnde personenbezogene Daten. Diese sollten die US-Behörden in der Regel dreieinhalb Jahre speichern. Falsche Rechtsgrundlage – Rechtswidriger Austausch von Fluggastdaten mit den USA weiterlesen

Freier Markt für Polizeidaten – Das Prinzip der Verfügbarkeit

von Tony Bunyan

Die EU will die „Hindernisse“ für den grenzüberschreitenden Austausch von Polizeidaten beseitigen. Sie beseitigt damit gleichzeitig die Voraussetzungen des Datenschutzes.

„Mit Wirkung vom 1. Januar 2008 sollte sich der Austausch dieser Informationen nach den für den Grundsatz der Verfügbarkeit geltenden Bedingungen richten.“ So steht es im Haager Programm, dem Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik, den die Staats- und Regierungschefs der EU, der Europäische Rat, im November 2004 angenommen haben.[1] Dieses Prinzip „bedeutet, dass unionsweit ein Strafverfolgungsbeamter in einem Mitgliedstaat, der für die Erfüllung seiner Aufgaben Informationen benötigt, diese aus einem anderen Mitgliedstaat erhalten kann und dass die Strafverfolgungsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat, die über diese Informationen verfügt, sie – unter Berücksichtigung des Erfordernisses in diesem Staat anhängiger Ermittlungen – für den erklärten Zweck bereitstellt …“. Anders ausgedrückt: Wenn die Polizei eines EU-Staates über Informationen verfügt, muss sie diese auf Anfrage an einen anderen Mitgliedstaat herausrücken. Der polizeiliche Datenaustausch im Rahmen der EU wird damit weitgehend denselben Bedingungen unterstellt, die im nationalen Kontext gelten. Freier Markt für Polizeidaten – Das Prinzip der Verfügbarkeit weiterlesen

Wachstumsringe Innerer Sicherheit – Tampere und Den Haag in der Umsetzung

von Norbert Pütter

Mit Fünfjahresplänen versucht die EU, die Entwicklung hin zu einem gemeinsamen europäischen Raum von Strafverfolgung und Polizeiarbeit zu beschleunigen. Obwohl die verschiedenen Veränderungen unübersichtlicher kaum sein könnten, zeichnen sich die Umrisse einer europäischen Sicherheitsarchitektur ab.

Seit nunmehr dreizehn Jahren ist die „Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres“ ein offizieller Bestandteil der EU. Der Vertrag von Maas­tricht, der 1993 in Kraft trat, machte diesen Politikbereich insgesamt als Dritte Säule der Unionsaktivitäten zum Gegenstand einer intergouvernementalen Zusammenarbeit, bei der alle Entscheidungsgewalt beim Ministerrat liegt und das Europäische Parlament sowie der Europäische Gerichtshof weitgehend ausgeschaltet sind. Die Innen- und Justizpolitik war damit zwar nicht „vergemeinschaftet“, der Weg zu einer europäischen inneren Sicherheitspolitik jedoch eröffnet. Wachstumsringe Innerer Sicherheit – Tampere und Den Haag in der Umsetzung weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat sich das Europa der Inneren Sicherheit rapide entwickelt. Aus den bescheidenen Anfängen, die sich als Reaktion auf den westeuropäischen Terrorismus Mitte der 70er Jahre entwickelten, ist in den 90ern eines der dynamischsten Politikfelder der Europäischen Union geworden. Weil Vorhaben und Vorschläge in großer Zahl von verschiedenen Akteuren entwickelt werden, ihre Umsetzung im europäischen Mehrebenensystem häufig unklar und ihre Folgen ungewiss sind, ist jede Bilanzierung des Prozesses immer unvollständig und zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits veraltet. Nachfolgend können nur wenige Hinweise auf einige Veröffentlichungen gegeben werden, die einen Einstieg in das Thema erlauben und/oder einzelne Aspekte besonders beleuchten. Literatur weiterlesen