Schlagwort-Archive: Polizei

Chronologie März 2020

zusammengestellt von Otto Diederichs

2. März: Rechtsextremismus: In Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen durchsucht die Polizei die Wohnungen von 12 Verdächtigen der Mitte 2019 gegründeten rechtsextremistischen Gruppierung „Aryan Circle Germany“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Beweismittel werden sichergestellt; laut Staatsanwaltschaft (StA) liegen derzeit jedoch keine Hinweise zu geplanten Anschlägen vor. Durch Presseberichte wird am 6. März bekannt, dass die Polizei vor einer der Wohnungen den Karton mit den Beweismitteln vergessen hat; er ist seitdem verschwunden. Am 9. März beginnt vor einem Berliner Amtsgericht (AG) der Prozess gegen einen Mann wegen Volksverhetzung und Verbreitung verfassungswidriger Kennzeichen. Er soll rechtsextremistische CDs und T-Shirts mit Nazi-Symbolen im Internet vertrieben haben. Einem Mitangeklagten wird der Druck der Shirts zur Last gelegt. Durch Presseberichte wird am 14. März bekannt, dass die StA Berlin gegen einen rechtsextremen Youtuber Anklage wegen Zeigen des Hitlergrußes, Verharmlosung von Gräueltaten des Nationalsozialismus und anderer Delikte erhoben hat. Durch eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag wird am 24. März bekannt, dass die Bundesanwaltschaft (BAW) im Jahr 2019 insgesamt 24 Ermittlungsverfahren im Bereich des Rechtsextremismus eingeleitet haben (2018: 6). Aus einer parlamentarischen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion geht am 27. März hervor, dass 2019 insgesamt 80 rechtsextreme Tonträger als jugendgefährdend eingestuft und auf den Index gesetzt wurden (2018: 69). Chronologie März 2020 weiterlesen

Chronologie Februar 2020

zusammengestellt von Otto Diederichs

2. Februar: Waffenverluste bei der Polizei: Durch Presserecherchen wird bekannt, dass bei den Polizeien der Länder in den vergangenen 10 Jahren insgesamt 35 Dienstwaffen verschwunden sind. Bei der Bundespolizei (BPol), Bundeskriminalamt (BKA) und Zoll sind es 12.

3. Februar: Rechtsradikale Polizist*innen: An einer Studie der Polizei in Hessen unter ihren etwa 17.000 Beamt*innen beteiligten sich 4.277 Polizist*innen. Davon befürchtet jede/r vierte, dass die Gefahr besteht, „dass Deutschland (ein) islamisches Land wird“. 1,7 Prozent gaben ihre Haltung mit „rechts“ oder „ausgeprägt rechts“ an. Bei der Präsentation dieser Studie teilt Innenminister Peter Beuth (CDU) zugleich mit, dass von ursprünglich 38 Beamt*innen, gegen die wegen rechter Umtriebe ermittelt wurde, 17 Fälle unterdessen eingestellt wurden, auch zu Entlassungen sei es bereits gekommen. Gegen 13 von ihnen wird noch ermittelt. In der Nacht zum 6. Februar wird die Polizei in Bautzen (Sachsen) gerufen weil aus einer Wohnung „Sieg Heil“-Rufe zu hören sind. Bei der Überprüfung stoßen die Beamt*innen auf drei Kommissaranwärter der Polizeihochschule. Sie werden vom Studium freigestellt und für die eingeleiteten Ermittlungen wegen Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen suspendiert. Chronologie Februar 2020 weiterlesen

Chronologie Januar 2020

1. Januar: Leipziger Silvesternacht: Im Stadtteil Connewitz kommt es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Feiernden. In einer ersten Presseerklärung behauptet die Polizei, „eine Gruppe von Gewalttätern hat versucht, einen brennenden Einkaufwagen mitten in eine Einheit der Bereitschaftspolizei zu schieben.“ Ein Beamter sei so schwer verletzt worden, „dass er das Bewusstsein verlor und im Krankenhaus notoperiert werden musste.“ Die im November eingerichtete Soko Linx des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen und die Staatsanwaltschaft ermitteln wegen Mordversuchs. Nach Medienrecherchen muss die Polizei am 3. Januar einräumen, dass es keine Notoperation gegeben hat und auch keine Lebensgefahr für den betroffenen Beamten bestanden hat. Auch die SPD-Ko-Vorsitzende Saskia Esken fordert nun eine öffentliche Aufklärung des Polizeieinsatzes und wird dafür heftig kritisiert. Am 6. Januar wird ein Video der betreffenden Szene öffentlich, aus dem hervorgeht, dass auch die Erklärung, dem Beamten sei der Helm vom Kopf gerissen worden, falsch war. Obwohl nun auch klar ist, dass es sich hier zwar um eine gewaltsame Aktion handelte, aber nicht um einen „orchestrierten Angriff“, hält die Staatsanwaltschaft an dem Vorwurf des Mordversuchs fest. Weitere Videos zeigen erhebliche Polizeigewalt gegen Unbeteiligte. Chronologie Januar 2020 weiterlesen

Chronologie Dezember 2019

1. Dezember: Koalitionsvertrag Sachsen: CDU, SPD und Grüne stellen ihr Verhandlungsergebnis vor. Im innenpolitischen Bereich wollen die drei Parteien u.a. eine Kennzeichnung von Polizist*innen und Bescheinigungen für „anlasslose“ Kontrollen einführen. Bei der Polizei sollen 1.000 neue Stellen geschaffen werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den V-Leute-Einsatz des Verfassungsschutzes will man „konkretisieren“. Am 20. Dezember nimmt die neue Regierung ihre Arbeit auf.

Autobrände in Berlin: Laut Medienberichten hat die Berliner Polizei von Jahresanfang bis zum 28. November insgesamt 512 Fahrzeugbrände registriert. Da zum Teil mehrere Autos angezündet werden, liegt die Zahl der Fälle bei 297. Nur in 36 Fällen vermutet die Polizei einen politischen Hintergrund.

Rechte KSK-Soldaten: Laut Medienberichten hat der Militärische Abschirmdienst (MAD) „mindestens zwei“ rechtsextreme Soldaten beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr enttarnt. Ein Unteroffizier soll in den kommenden Tagen suspendiert werden. Ein Stabsoffizier sei schon vor einigen Wochen suspendiert worden, ein weiterer gelte beim MAD als „Verdachtsfall“. Chronologie Dezember 2019 weiterlesen

Chronologie November 2019

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. November: Dschihadist*innen-Prozesse: Vor dem Landgericht (LG) Frankfurt/M. (Hessen) beginnt der Prozess gegen einen 18-Jährigen aus Gießen wegen Vorbereitung und Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Da dem mutmaßlich verhinderten Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) „Reifedefizite“ attestiert wurden, findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am 15. November verurteilt das LG Frankfurt/M. (Hessen) zwei Männer wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten bzw. einer knapp zweijährigen Bewährungsstrafe. Am 27. November verurteilt das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg Angehörige einer zum IS ausgereisten Frau wegen Terrorfinanzierung zu Bewährungsstrafen zwischen neun und 18 Monaten. Sie hatten ihrer Verwandten im März 2017 rund 27.000 EUR zugeschickt.

Rechtsextremismus: Durch Presseberichte wird bekannt, dass in einem Kindermalheft der rechtskonservativen Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Mecklenburg-Vorpommern ein bekannter Rechtsextremist eine Anzeige aufgeben konnte. Nach dem Bekanntwerden wurde die weitere Verteilung von Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) verboten. Am 2. November wird ebenfalls durch Presseberichte bekannt, dass der Grünen-Politiker Cem Özdemir Ende Oktober eine Morddrohung von der rechtsextremen Gruppe „Atomwaffen-Division Deutschland“ erhalten hat. Dabei handelt es sich um einen Ableger eines US-amerikanischen Neonazinetzwerkes. Chronologie November 2019 weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2018: Bundesweite und Berliner Schusswaffenstatistik

von Otto Diederichs

Elf Menschen starben im vergangenen Jahr aufgrund polizeilichen Schusswaffeneinsatzes. Das sind fünf Tote weniger als 2017.

2017 hatte die Zahl der polizeilichen Todesschüsse mit 16 Fällen den höchsten Stand seit 1999 erreicht.[1] Für 2018 zeigt die Schuss­waffen­ge­brauchsstatistik der Deutschen Hochschule für Polizei (DHPol) nicht nur bei den Todesschüssen einen niedrigeren Wert. Zurückgegangen ist auch die Zahl der Verletzten (2018: 34; 2017: 39) sowie die Gesamtzahl der Schüsse auf Menschen: Insgesamt 54 Mal haben Polizeibeamt*innen 2018 auf Personen geschossen (2017: 75 Mal), wobei zwei Schüsse als unzulässig eingestuft wurden. 23 Mal wurde auf „Sachen“ geschossen, womit in der Regel Fahrzeuge gemeint sind; von diesen indirekten Schüssen auf Menschen wurden offiziell sieben als unzulässig eingestuft. Die Höchstzahl der abgegebenen Schüsse galt mit 13.711 (2017: 13.400) wie stets dem Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere.[2]  Polizeiliche Todesschüsse 2018: Bundesweite und Berliner Schusswaffenstatistik weiterlesen

Schattenarmee oder Einzelfälle? – Rechte Strukturen in den Sicherheitsbehörden

Sebastian Wehrhahn und Martina Renner

Der Fall Franco A., rechte Chatgruppen, der Verein Uniter, Feindeslisten und Drohbriefe: Wie weit reichen die rechten Netze in der Bundeswehr und der Polizei?

Als bekannt wurde, dass der rechte Bundeswehr-Oberleutnant Franco A. sich eine Tarnidentität als Flüchtling aufgebaut hatte, um möglicherweise Anschläge zu begehen, waren Aufmerksamkeit und Druck groß. Zwar währte dieser Druck nicht lange, unmittelbar reichte er jedoch, um die Verteidigungsministerin dazu zu bringen, eine durchaus grundsätzliche Initiative zu lancieren. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen und da müssen wir konsequent dran gehen“, äußerte sich Ursula von der Leyen damals.[1] Schattenarmee oder Einzelfälle? – Rechte Strukturen in den Sicherheitsbehörden weiterlesen

Zeug*innen wie alle anderen?

Protokoll der Veranstaltung „Polizeibeamt*innen als Tatzeug*innen“ am 7. November im Kammergericht Berlin

Auf einer Podiumsdiskussion des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälte Verein e.V. hat der Berliner Rechtsanwalt Lukas Theune zentrale Thesen seines abgeschlossenen Dissertationsprojekts vorgestellt. Die Arbeit trägt den Titel „Polizeibeamt*innen als Berufszeug*innen in Strafverfahren“ und basiert auf Interviews.

Theune sieht verschiedene Besonderheiten polizeilicher Zeug*innen im Gegensatz zu „zivilen“ Zeug*innen. Sie werden als „professionell“ verstanden, wodurch sich ein weniger strenger Umgang mit ihnen ergibt. Hierzu gehört, dass sie zunächst häufig nicht vernommen werden, stattdessen genügt dem Gericht ein schriftlicher Bericht. Erst zur Hauptverhandlung erfolgt eine Ladung der Polizist*innen. Erscheinen sie dort für eine Aussage, sind sie im Gegensatz zu den zivilen“ Zeug*innen besser vorbereitet: Sie verfügen über eine strafrechtliche Grundausbildung und sind außerdem im „Zeuge-Sein“ geschult. Mitunter profitieren sie auch von einer Ausbildung in Vernehmungslehre. Zeug*innen wie alle anderen? weiterlesen