Interview mit vier Aktivisten aus drei Generationen
Die Geschichte der BRD ist auch eine Geschichte des Protests.So wie sich seine Formen geändert haben, hat sich auch die Herangehensweise der Polizei an das Protestgeschehen gewandelt. Zusammen mit Christoph Ellinghaus, Susanne Falke, Karen Ullmann und Wolf Wetzel gehen wir auf Spurensuche. Die Fragen stellten Martin Beck, Heiner Busch und Matthias Monroy.
Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, wie hat Eure eigene Demonstrationsgeschichte begonnen?
Wolf Wetzel: Meine Erfahrungen beziehen sich auf militante Zusammenhänge, angefangen mit den Demonstrationen zu Zeiten des Häuserkampfes in Frankfurt am Main Anfang der 70er Jahre. Die Polizei operierte damals in großen Einheiten. Immer wieder kam es zu Verletzten und Schwerverletzten. Auch wenn wir öfter verprügelt wurden, so war dennoch die Ohnmacht, die Aussichtslosigkeit nicht dominierend. Das lag zum einen an der politischen Stimmung, zum anderen an ganz materiellen Bedingungen: Wir trugen – wenn gewollt – Helme und andere Schutzkleidung wie z.B. Armschützer, was erst später als „Passivbewaffnung“ verboten wurde. Eine kleine Demogeschichte – Protest und Polizei in den letzten vierzig Jahren weiterlesen →
Ende 2010 löste der Bericht der Werthebach-Kommission[1] wüste Proteste aus. Bundespolizei (BPol) und Bundeskriminalamt (BKA), die Polizeigewerkschaften und einige Landesinnenminister wehrten sich gegen eine Fusion der beiden „Sonderpolizeien des Bundes“. Nach dem Amtsantritt des neuen Bundesinnenministers schienen die Pläne erledigt. Wirklich?
Den Vorschlag, „aus den Polizeien des Bundes eine Polizei des Bundes zu machen“, fände er „überzeugend, bedenkenswert und verfolgenswert“, hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärt, als er am 19. Dezember 2010 den Bericht der von ihm einberufenen Kommission unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Eckart Werthebach, präsentierte. „Kurz und schnell“ wollte er die Organisationsreform vollziehen und deshalb bereits im März 2011 eine Grundsatzentscheidung treffen.[2] Dazu kam es – dank der Kabinettsrochade – nicht mehr. Top oder Flop? Werthebach-Kommission und neue Sicherheitsarchitektur weiterlesen →
Mit den European Union Police Forces Trainings und der Europäischen Gendarmerietruppe schafft sich die Europäische Union ein stattliches Arsenal zivil-militärischer Intervention – nicht nur im Ausland.
„Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“, frohlockte ein Sprecher der Bundespolizei in der April-Ausgabe der Hauspostille. Gemeint war die Vorbereitung auf das European Union Police Forces Training (EUPFT), das dieses Jahr zum dritten Mal Polizeien aus EU-Mitgliedstaaten zum Aufstandsbekämpfungstraining versammelte.[1]
Geübt wurde im fiktiven Örtchen Rauhberg auf dem militärischen Truppenübungsplatz Lehnin, rund 20 Kilometer westlich von Potsdam. Der Hausherr Bundeswehr preist Rauhberg als deutschlandweit einmalige „Ortskampfanlage“ mit Schule und Reisebüro, Flugplatz und Bäckerei und sogar einer potemkinschen Eisdiele. Die 70 Häuser werden von einem kleinen Kanalnetz und Unterführungen ergänzt. Stolz rapportiert der „Platzkommandant“ des Truppenübungsplatzes gegenüber der Lokalpresse, dass nicht nur „Soldaten verschiedener Länder“ regelmäßig in Lehnin trainieren. Die europaweit einmalige Anlage sei auch bei Rettungskräften vom Deutschen Roten Kreuz und Technischem Hilfswerk sowie polizeilichen Spezialkräften beliebt. Bürgerkrieg in Askania – Europäisches Polizeitraining in Lehnin weiterlesen →
Das Ziel der Ausstattungs- und Ausbildungshilfe für Drittstaaten ist der Export von Staatlichkeit, der sich allerdings auf Sicherheitskräfte, vor allem auf Polizei und Militär, beschränkt. Durch diese „Hilfe“ sollen die Sicherheitskräfte an die Geberländer angebunden werden und eine – deren Interessen entsprechende – Ordnung herstellen und aufrechterhalten.
Die These vom „asymmetrischen Krieg“ hat sich offiziell durchgesetzt. Die Sicherheit Deutschlands und der Europäischen Union – so das Weißbuch der Bundeswehr von 2006 und die Europäische Sicherheitsstrategie von 2003[1] – werde heute weniger durch feindliche Staaten bedroht als durch „nichtstaatliche Akteure“: Terroristen, organisierte Kriminelle, religiöse Extremisten, Aufständische, Migranten stellten auch „über große Entfernungen hinweg“ und unabhängig davon, ob sie den Weg in die EU schaffen oder nicht, eine Gefahr dar. Terroristen bedrohten „unsere“ Sicherheit nicht erst, wenn sie in Deutschland Attentate verüben, sondern bereits dann, wenn sie beispielsweise „unsere“ Energieversorgung gefährden. In diesem Bedrohungsbild wird die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufgehoben, und die Aufgaben ziviler und militärischer Akteure verwischen zunehmend. Policing the world – Polizeihilfe als Teil einer militarisierten Außenpolitik weiterlesen →
Die Formen des polizeilichen Einsatzes im Ausland werden immer vielfältiger. Die Trennung zwischen Polizei und Militär verschwimmt hierbei zusehends.
Seit Ende der 90er Jahre hat die EU systematisch die konzeptionellen, materiellen und personellen Grundlagen für eine deutliche Ausweitung ihrer polizeilichen Krisenmanagement-Operationen geschaffen.[1] Auf seiner Tagung in Nizza im Dezember 2000 beschloss der Europäische Rat zwei Arten polizeilicher Auslandsmissionen.[2] Bei „Strengthening of Local Police Missions“ geht es um die Beobachtung, Beratung und das Training der lokalen Polizei. Die aus der EU entsandten PolizistInnen haben dabei keine Exekutivaufgaben. Dies ist hingegen bei „Substitutions Missions“ der Fall. Hier treten die EU-Polizeieinheiten an die Stelle der lokalen Polizei, die erst (wieder) aufgebaut werden soll. Polizisten, Soldaten und Gendarmen – Polizeiliche Auslandseinsätze der EU weiterlesen →
Der Bundestag hat im Dezember 2008 die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der ersten Marineoperation der EU (NAVFOR/ATALANTA) beschlossen. Mit sechs Fregatten und drei Überwachungsflugzeugen sollen die rund 1.200 EU-SoldatInnen Piraten vor der Küste Somalias bekämpfen. Die EU-Mission löst die NATO-Operation „Allied Provider“ ab, bei der seit Ende Oktober 2008 Schiffe mit Nahrungsmittellieferungen des „World Food Programme“ nach Somalia eskortiert wurden.
Marineeinsatz ohne Bundespolizei
Vor allem militärische Kreise hatten seit Frühjahr 2008 erklärt, für die Pirateriebekämpfung durch die Bundesmarine müsse das Grundgesetz geändert werden. Auf einen solchen ersten Schritt zur Legalisierung des inneren quasi-polizeilichen Einsatzes der Bundeswehr hat die Bundesregierung verzichtet. Es werden auch keine Angehörigen der Bundespolizei (BPOL) auf den Schiffen der Bundesmarine mitfahren, wie dies z.B. der Frankfurter Polizeioberrat Peter Aldenhoff vorgeschlagen hatte. Ein solcher Einsatz unter „Amtshilfe“ der Marine hätte der BPOL die Festnahme, Vernehmung bzw. Überstellung verdächtiger Personen erlauben sollen. Bundeswehr auf Piratenjagd weiterlesen →
Das neue BKA-Gesetz wird bereits vor seiner Verabschiedung als das „bedeutendste Sicherheitsgesetz“ in der laufenden Legislaturperiode bezeichnet. Das Bundeskriminalamt soll in der Terrorismusbekämpfung auch präventiv tätig werden.
Zahnlos war das Bundeskriminalamt (BKA) mit seinen derzeit rund 4.800 Stellen (ca. 5.500 Beschäftigten) und seinem Haushalt von 362 Mio. Euro auch bisher nicht. Sein seit Ende der 60er Jahre in zum Teil rasanten Schritten erfolgter Aufstieg zur mächtigsten Polizeibehörde der Bundesrepublik stützte sich insbesondere auf drei Pfeiler: erstens seine Rolle als Zentralstelle – und das hieß seit Anfang der 70er Jahre als zentraler Knotenpunkt des informationstechnischen Verbundes der deutschen Polizei; zweitens seine Funktion als Schaltstelle für die internationale Zusammenarbeit, die mit dem Ausbau der Polizeikooperation im Rahmen der EU kontinuierlich an Bedeutung zugenommen hat; und drittens seine seit Ende der 60er Jahre im BKA-Gesetz (BKAG) festgeschriebenen und erweiterten Ermittlungskompetenzen. Das neue BKA-Gesetz – Geschäftsgrundlage einer Bundesgeheimpolizei weiterlesen →
Seit 1990 gibt es keine innerdeutsche Grenze mehr und mit der kontinuierlichen Schengen-Erweiterung sind auch von den zu bewachenden EU-Außengrenzen nur noch Reste übrig. Mit einer neuerlichen Organisationsreform emanzipiert sich der vor drei Jahren in Bundespolizei (BPol) umbenannte Bundesgrenzschutz (BGS) endgültig von seiner Gründungslegende.
Gerade einmal 15 Seiten inklusive Begründung umfasste der „Entwurf zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze“, den der Bundestag am 25. Januar dieses Jahres mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit annahm.[1] Die vorbereitenden Umstrukturierungen waren seit über einem Jahr im Gang und auch der Sitz der neuen Spitzenbehörde, des Bundespolizeipräsidiums, war bereits eingeweiht, als das Gesetz am 1. März in Kraft trat. Auf Widerstand war die Reform in erster Linie bei den Polizeigewerkschaften und -standesorganisationen gestoßen. Aber selbst Befürworter einer grundlegenden Umstrukturierung von Organisation und Aufgabenstellung des früheren Bundesgrenzschutzes rätselten über die Zielsetzung der Reform. Entgrenzung der Bundespolizei – Nicht nur eine Organisationsreform weiterlesen →
Seit einigen Jahren ist von der „neuen Sicherheitsarchitektur“ die Rede. Die Institutionen der alten Bundesrepublik seien den neuen Herausforderungen nicht mehr gewachsen; sie müssten gründlich umgebaut werden. Unter dem Schlagwort der „Vernetzung“ findet gegenwärtig die Reorganisation des Gewaltmonopols statt.
Die Institutionen, die Innere Sicherheit gewährleisten sollen, unterliegen einem ständigen Wandel. Bereits das Entstehen des administrativ-politischen Komplexes „Innere Sicherheit“ in der Bundesrepublik ist ein Resultat dieses Wandels, der in das Ende der 60er/den Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts fällt.[1] Obwohl sie nicht trennscharf an Jahreszahlen geschieden werden können, lassen sich für die Entwicklung der BRD deutlich vier (wenn man die alliierte Vorgeschichte hinzunimmt fünf) Phasen benennen. Sie unterscheiden sich in der Organisation, in der rechtlichen Regulierung, in der Qualifikation des Personals, der strategischen Orientierung und hinsichtlich derjenigen Probleme, denen sich die innere Sicherheitspolitik und ihre Apparate vorrangig widmeten. Typisierend vereinfacht verliefen die Wandlungen in dieser Abfolge: Sicherheitsarchitekturen im Wandel – Polizei – Geheimdienst – Militär weiterlesen →
1995 wurde sie in Bayern und Baden-Württemberg eingeführt, 1998 im Bund befristet erprobt, 2003 verlängert, 2007 zum zweiten und letzten Mal nach Art des Bundesinnenministeriums evaluiert. Diese Evaluation führte erwartungsgemäß zur Entfristung der „anlasslosen“ Schleierfahndung.
Man habe dem Bundesgrenzschutz „vor dem Hintergrund der steigenden grenzüberschreitenden Kriminalität und einer erheblich gestiegenen unerlaubten Einreise innerhalb seiner sachlichen und räumlichen Zuständigkeit ein flexibles Befugnisinstrumentarium für verdachtsunabhängige Kontrollen zur Verfügung“ stellen wollen. Ausgeglichen werden sollte auch der Wegfall der angeblichen Filterfunktion der bis zum Aufbau des Schengensystems praktizierten traditionellen Grenzkontrollen. Das ist die offizielle Begründung für den § 22 Abs. 1 Bundespolizeigesetz (BPolG), die Innenstaatssekretär Peter Altmaier letztes Jahr wiederholte, als er den Evaluationsbericht seines Ministeriums vorlegte.[1]„Vergrenzung“ des Inlands – Von der Schleierfahndung zur neuen Bundespolizei weiterlesen →
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